Wie Riegele die Brauerei neu erfand
Sich als familiengeführte Brauerei am Markt zu behaupten und das mit einem Standort mitten in der Innenstadt, ist schwer. Den Prillers aus Augsburg ist das gelungen. Mit teils außergewöhnlichen Aktionen
Augsburg Das Wort „Hektoliter“steht bei der Augsburger Brauerei Riegele auf der Streichliste. Die beiden Firmenchefs Sebastian Priller senior und junior wollen es meiden. „In Mengenwachstum zu denken, ist aus unserer Sicht falsch“, sagt der Junior-Chef zur Begründung. Zwar könne er natürlich beziffern, wie viel Hektoliter Bier Riegele jährlich produziert, aber dabei handle es sich nur um eine Zahl, die keinerlei Aufschluss über den Erfolg und die Qualität der Produkte gibt, bringt ihn das Thema schon fast etwas in Rage. Sein Vater greift deshalb beruhigend ein und sagt spitzbübisch lächelnd: „Wenn Sie was schreiben wollen, dann schreiben Sie, dass es für alle Augsburger reicht.“
Sebastian Priller junior und senior sind Geschäftsleute, wie man sie nicht überall findet. Sie sind unkonventionell, bodenständig und haben mit dem Produkt Bier ihr Metier gefunden. Sie lieben ihr Unternehmen nicht nur, sie leben es – und zwar gemeinsam. „Wir sehen uns als gleichberechtigte Partner und ergänzen uns nahezu perfekt“, sagen Vater und Sohn und verkörpern das auch nach außen. Zu unserem Gespräch sind die Herren stilecht im Trachtenjanker erschienen – wohlgemerkt im gleichen Modell. Die Prillers drücken dem Brauhaus Riegele damit unverkennbar ihren persönlichen Stempel auf – im positiven Sinn. „Wir wollen uns nicht in ein Korsett zwängen und als großes Unternehmen verkleiden. Wir sind ein mittelständischer Betrieb und unser Handeln muss somit auch zur DNA eines Mittelständlers passen“, beschreibt es Sebastian Priller junior.
Aus ihrer Sicht ist das Mittelständische der entscheidende Grund dafür, dass sich die Brauerei so entwi- ckeln konnte, wie sie es getan hat. Denn in wirtschaftlich schlechten Zeiten Mitte der 90er Jahre haben sich die Prillers auf dieses Credo besonnen und sich anders wie viele Mitbewerber gegen eine Fusion oder einen Verkauf der Brauerei entschieden. Auch die Massenproduktion auf der grünen Wiese wurde als Überlebensstrategie abgelehnt. „Wir betreiben die Brauerei seit 1386 in 27. Generation als Familienunternehmen. Ein solcher Schritt hätte nicht zu uns gepasst. Da hätten wir lieber dichtgemacht“, sagt der Senior trocken.
So weit ist es bekanntlich nicht gekommen. Im Gegenteil. Riegele ist am Markt geblieben. 110 Mitarbeiter sind beschäftigt, der Jahresum- liegt nach Unternehmensangaben bei 25 Millionen Euro. Seit etwa acht Jahren ist der Betrieb, der direkt am Augsburger Hauptbahnhof und damit mitten in der Stadt liegt, auf Erfolgskurs – weil man sich auf seine DNA besonnen und den Mut aufgebracht hat, Neues und Innovatives zu versuchen, erzählen die beiden Prillers. „Wir haben irgendwann aufgehört zu schauen, was die anderen machen, sondern überlegt, warum der Kunde ausgerechnet zu unseren Produkten greifen soll. Wo Trends liegen und wie wir aus dem, was wir haben, mehr machen können“, sagt Sebastian Priller junior. Er gab 2006 seinen Job als Berater bei Boston Consulting auf und stieg voll in die Brauerei ein – zur Hälfte des Gehalts, aber dafür bei doppeltem Spaß, wie er scheinbar beiläufig einschiebt.
So stellten Vater und Sohn ihr Sortiment – entgegen dem Trend – breiter auf, um sich gegen Krisen stabiler zu machen. Der Junior ließ sich als einer der Ersten zum Biersommelier ausbilden und sie entwickelten zusammen mit ihrem Braumeister Craftbiere – also handwerklich gebrautes Bier. Das alles hat funktioniert, Riegele hat sich mit seinen Produkten einen Namen gemacht und gehört mittlerweile zu den meistprämierten Brauereien Deutschlands. Auch die ungünstige Innenstadtlage der Brauerei hat die Prillers nicht aus dem Konzept gebracht. Im Gegenteil. Nach Auslasatz gerung der Logistik an den Stadtrand ist der Kern der Brauerei Stück für Stück zu einer Biererlebniswelt umgebaut worden – inklusive Bierverkostung und Führungen. Dazu gibt es einen direkten Zugang von Gleis eins des Hauptbahnhofes aufs Brauereigelände. Und mit einer Seilrutsche können Gäste bald vom Kamin auf dem Braugelände in den angrenzenden Biergarten fliegen. Ein bisschen verrückt muss eben auch mal sein. Das liegt im Naturell der 68- und 43-Jährigen.
Der Kunde scheint das zu mögen. Auch der Trend, sich wieder gezielt für regional produzierte Produkte zu interessieren und dafür einen höheren Preis zu bezahlen, spielt den Prillers in die Karten. Ausruhen kann man sich auf der Erfolgswelle aber nicht, sind sich die Firmenchefs einig. „Sie müssen immer wieder raus zu den Menschen, zum Stapelfahrer ebenso wie zum Firmenchef. Sie müssen sich anschauen, was die Menschen bewegt, was ihnen gefällt, wonach sie fragen. Und das immer und immer wieder und vor allem unabhängig davon, ob Ihnen persönlich diese Entwicklungen gefallen“, sagt Priller senior.
Und noch eines wollen Vater und Sohn dabei nicht aus den Augen verlieren. Transparenz und Ehrlichkeit – auch wenn das manchmal unangenehm werden kann. Bei Kaufland wurde Riegele ausgelistet, weil man die Preispolitik nicht mitgehen wollte. „Das war sehr hart, aber wir müssen fair gegenüber all unseren Kunden sein. Und das hätten wir, wären wir auf die Forderungen von Kaufland eingegangen, nicht einhalten können“, so Priller senior. Mittlerweile habe man das „Tal der Tränen“durchschritten und den Rückschlag weggesteckt. „Wir lassen uns nicht erpressen und wollen dem Kunden und auch unseren Mitarbeitern klar signalisieren, dass wir faire Geschäftspartner sind, die auch ungewöhnliche Wege einschlagen, wenn es die Situation erfordert.“