Zu schnell, um wahr zu sein
Viele Handy-Anbieter versprechen extrem hohe LTE-Geschwindigkeiten. Im Alltag werden die aber oft gar nicht erreicht. Was Verbraucher wissen müssen
Augsburg Es hat ein bisschen was von einer Auktion, wenn man sich die Werbung der Mobilfunkbetreiber ansieht: Eine LTE-Geschwindigkeit von 225 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) bietet Telefónica mit seiner Marke O2. „Bis zu 300 Mbit/s“sind es bei der Telekom. Und bei Vodafone geht es noch höher hinaus: „Jetzt kann mit 500 Mbit/s gesurft werden“, tönt das Unternehmen. Glaubt man diesen Versprechen, wären SmartphoneKunden mobil zehn bis zwanzig Mal schneller im Internet unterwegs als mit ihrem DSL-Anschluss zu Hause. Kann das stimmen?
Herman-Josef Tenhagen vom Verbraucherportal Finanztip.de meint: Eher nicht. „Der Geschwindigkeitsrausch der Anbieter zeigt eher, was technisch möglich ist, als was auf dem Handy im Alltag ankommt.“Zumal es eigentlich auch ziemlich egal sei, wie rasant ein Tarif daherkommt. „Wichtig ist allein, dass es LTE ist“, sagt Fachmann Tenhagen. Denn LTE bringt ein zusätzliches, besseres Netz und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit auf Netzabdeckung – und dazu noch eine bessere Sprachqualität.
LTE gibt es aber nicht nur bei O2, Vodafone und der Telekom, sondern auch bei sämtlichen Mobilfunkdiscountern: Der Unterschied zu den teureren Markentarifen bestehe alleine darin, dass sie ein noch höheres maximales LTE-Tempo versprechen. „Die Discounter beschränken sich oft auf 50 Megabit pro Sekunde“, so Tenhagen. „In der Praxis ist dieser Unterschied meist nicht relevant.“Denn im Alltag bleiben sowohl die Netzbetreiber als auch die Discounter fast immer unter einer Übertragungsrate von 50 Mbit/s. Und das reicht auch völlig aus, um etwa ruckelfrei zu surfen, Musik online zu hören oder auch Filme zu streamen. „Ein Film auf dem Smartphone braucht etwa drei bis vier Megabit, um stabil zu laufen“, sagt Experte Tenhagen.
Ob man LTE nutzen kann, ist natürlich zum einen vom Handytarif abhängig. Günstige LTE-Tarife gibt es vor allem im Netz von Telefónica. Doch in den Tests der Fachmagazine Connect und Chip schneiden die Handynetze der Deutschen Telekom und von Vodafone regelmäßig deutlich besser ab. Betrachtet man nur das LTE-Teilnetz in Deutschland, hat Vodafone leicht die Nase vorn. Bei der Gesamtnetzqualität führt hingegen die Telekom. Die günstigsten LTE-Tarife gibt es bei der Telekom für 9,95 Euro und bei Vodafone für 9,99 Euro pro Monat, wobei das Datenvolumen auf 1,0 beziehungsweise 1,5 Gigabyte begrenzt ist.
Neben dem Tarif kommt es aber auch auf das verwendete Smartphone an: Für Vorzeigemodelle der führenden Handyhersteller ist LTE bereits seit 2013 verfügbar, die Mit- telklassemodelle haben wenig später nachgezogen. Beim iPhone etwa läuft LTE auf allen Geräten ab dem Modell 5S. Und auch bei Smartphones anderer Hersteller, die jün- ger sind als vier Jahre, kann man sich daher ziemlich sicher sein, dass sie LTE unterstützen. Bei manchen Modellen muss LTE jedoch zunächst in den Einstellungen des Smartphones aktiviert werden. Sobald sich das Handy in das Netz eingewählt hat, stehen oben im Display normalerweise die Abkürzungen LTE, L oder 4G.
Was die Werbung mit Höchstgeschwindigkeiten betrifft, begeben sich die Mobilfunkanbieter mit ihrem Geschwindigkeitsrausch auf juristisch dünnes Eis. Denn zumindest im Ansatz sollte man die hohen Geschwindigkeiten schon erreichen und somit sein Werbeversprechen erfüllen – sonst drohen Abmahnungen wegen unlauterer Werbung. „Wirbt ein Unternehmen mit einer fortschrittlichen Technologie wie LTE, bietet deren Vorteile aber tatsächlich gar nicht an, muss nach unserer Auffassung gerichtlich geprüft werden, ob hier Verbraucher irregeführt werden“, sagt Tom Janneck, Teamleiter beim Marktwächter Digitale Welt in der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. „Das ist vergleichbar mit einem Auto, das laut Werbeaussagen 250 km/h schnell fahren könnte, tatsächlich aber vom Hersteller bei 100 km/h abgeriegelt ist.“
Jannecks Kritik richtet sich aber weniger gegen das Highspeed-Rennen, das die großen Netzbetreiber veranstalten. Der Verbraucherschützer hat vor allem den Anbieter 1&1 aufs Korn genommen, der im Internet für Mobilfunkverträge „mit LTE-Geschwindigkeit“wirbt. Tatsächlich sind es laut dem Kleingedruckten in den Produktinformationsblättern aber maximal 21,6 Mbit/s – und dafür bräuchte man kein LTE, denn das erreichen auch ältere Übertragungstechnologien. Auf eine Abmahnung der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein wegen irreführender Werbeaussagen wollte 1&1 nicht eingehen. Darum haben die Verbraucherschützer nun Klage eingereicht.
Denn mit dem Werbeversprechen LTE verbinden Verbraucher sehr schnelles Internet – das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Die große Mehrheit (84 Prozent) verbindet damit ganz konkret den Vorteil einer höheren Download-Geschwindigkeit im Vergleich zu vorherigen Technologien – ein Versprechen, das 1&1 nicht erfüllt.
Dass eine zu geringe Bandbreite ein weitverbreitetes Phänomen ist, zeigt auch der Anfang des Jahres von der Bundesnetzagentur veröffentlichte Jahresbericht zur Breitbandmessung. Demnach erreichen Kunden meistens nicht die maximale Geschwindigkeit, die ihnen die Anbieter in Aussicht gestellt haben – über alle Bandbreiteklassen und Anbieter hinweg. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert daher seit Jahren mehr Handlungsmöglichkeiten für Verbraucher, wenn Anbieter nicht entsprechend liefern – beispielsweise den Preis zu mindern oder auch ein Sonderkündigungsrecht wahrzunehmen.