Kontroverser Meinungsaustausch
In der ehemaligen Synagoge in Hainsfarth wurde über das Streitthema Stolpersteine diskutiert. Auch für neutrale Beobachter eine berührende Angelegenheit
Hainsfarth Für den neutralen Beobachter eröffnete sich bei der Veranstaltung „Was heißt, an die Shoah erinnern?“vor leider zu wenigen Besuchern in der ehemaligen Synagoge in Hainsfarth ein genauso verstörendes wie berührendes Szenario. Auf der einen „Seite“die Referenten Florian Feichtmeier, Gewerkschafter, und Gabriella Meros, Vorsitzende des Vereins „Respect and Remember Europe“. Auf der anderen einige Besucher. Und beide vertraten ihre Meinungen derartig kompromisslos, dass der Abend beinahe zu eskalieren drohte. Dabei hatte alles so schön angefangen.
Sigried Atzmon, die Vorsitzende des Freundeskreises, hatte schon in ihrer Begrüßungsrede die Wichtigkeit des Gedenkens an die Ermordung von Millionen von Juden durch die Nationalsozialisten angesprochen und als gutes Beispiel stellvertretend die Stadt Nördlingen gelobt, die schon allein mit der Umbeziehungsweise Rückbenennung der Judengasse nach 1945 gut begonnen und mit der Stele in eben dieser Gasse das Gedenken aus ihrer Sicht vorbildlich gelöst hat. Sie sprach von „Erinnerung in Augenhöhe“.
Dieser Begriff zog sich danach durch den gesamten Abend. Sowohl Florian Feichtmeier als auch Gabriella Meros lehnten die „Stolpersteine“als dezentrale Gedenkform vehement ab und bezeichneten das Langzeit-Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das 1992 begann, als Schuldabwehr statt Erinnerungskultur und billiges Freikaufen statt Schuldbekenntnis.
Zur Erklärung: Stolpersteine sind in den Boden verlegte, kleine Gedenktafeln, die an das Schicksal der Menschen erinnern sollen, die in der NS-Zeit verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben worden sind. Genau diese Platzierung ist die Grundkritik: Sie behalten auch das Gedenken am Boden, auf den Menschen, derer gedacht werden soll, wird also weiter herumgetrampelt, uriniert, Zigaretten ausgedrückt und viele Dinge mehr, sagen Kritiker. Sie verurteilen den „Business-Plan“, der laut ihrer Aussagen hinter dem Projekt steht. Immerhin seien inzwischen 69 000 dieser Steine verlegt, zu einem Stückpreis von 120 Euro. Und sie verurteilten auch, dass die Aktion inzwischen marken- und patentrechtlich geschützt ist und so Gunter Demnig möglicherweise zum Millionär gemacht haben könnte. Dadurch, dass sie sich emotional immer weiter in die Sache verbissen, sorgten sie schon während des Vortrages für Unruhe, die sich in der anschließenden Diskussion dann Bann brach.
So ist der Wunsch, über ein wirklich berechtigtes Hinterfragen dieses inzwischen „größten dezentralen Mahnmals der Welt“reden und wünschenswerte Alternativen aufzeigen zu können, einem Hin- und Her-Argumentieren mit einigen Zuhörern gewichen, das nur festgefahrene Positionen weiter zementierte, statt aus dem Erinnern eine Begegnung zu machen, so wie es sicherlich gewollt war.
Während die eine Seite immer wieder davon sprach, dass solche Bodendenkmäler „mit den Füssen getreten werden“, bestand ein Teil des Publikums auf seiner Meinung, „die Menschen beugen sich zu den Opfern herunter“, also man verbeuge sich in Demut. Meros bemängelte auch, dass die Verlegung oftmals ohne das Einverständnis und, mehr noch, „auch gegen den Willen der Angehörigen“durchgeführt werde. Feichtmeier entrüstete sich unter anderem über den Satz eines Politikers, der behauptet hatte, „Die Verlegung ist mehr als eine Wiedergutmachung.“
So wurden Meinungen lediglich ausgetauscht und die Gäste gingen teils ratlos aus der ehemaligen Synagoge, dem Haus, das Florian Feichtmeier als „ergreifende Erinnerung an die Shoah“beispielhaft genannt hatte. Er plädierte mit seiner Mitstreiterin dafür, neue Formen der Erinnerung zu finden, um vor allem auch Jugendliche zu erreichen: über neue Medien, Apps, Spiele und andere. Immer wieder mit der einen Forderung verbunden: „Gedenken auf Augenhöhe“.