Wer zu früh zahlt, hat verloren
Die Straßenausbaubeiträge wurden abgeschafft. Anlieger, die Vorauszahlungen geleistet haben, bekommen ihr Geld wohl aber nicht zurück. Wie in Wechingen und Baldingen
Wechingen Wer ein Haus besitzt, ist ohnehin ständig gezwungen, tief in die Tasche zu greifen. Hier muss ein Fenster gerichtet werden, da blättert der Lack vom Zaun und dann bröckelt auch noch der Putz von der Fassade. Und dann soll man auch noch für etwas bezahlen, dass einem nicht mal gehört?
Straßenausbaubeiträge haben in der Vergangenheit bei vielen bayerischen Grundstücksbesitzern für Ärger gesorgt. Gemeinden durften Anlieger bis Anfang dieses Jahres belangen, wenn angrenzende Straßen oder Gehwege saniert wurden. Die Regelung wurde mittlerweile abgeschafft, die Bürger sind zufrieden – könnte man meinen. Denn nicht alle Anlieger haben das Glück, von einer Zahlung befreit worden zu sein. So einen Fall gibt es auch in Wechingen.
Dort wurde im vergangenen Jahr die Ortsdurchfahrt erneuert, Gehsteige wurden umgestaltet, auch an angrenzenden Grünflächen hat man gearbeitet. Das Bauprojekt ist zwar längst abgeschlossen, aber vom Landratsamt nicht abgerechnet. Eigentlich gut für die Anlieger, die sich so durch die Gesetzesänderung die Beteiligungskosten sparen könnten – hätte es da nicht schon eine Vorauszahlung gegeben. Die Anlieger sprechen von rund 73 Prozent der Gesamtkosten, die sie bereits im vergangenen Jahr an die Kommune überweisen mussten, laut Gemeinde waren es zwei Drittel des Gesamtbetrags. Das Problem daran ist, dass die Anlieger das vorausbezahlte Geld allem Anschein nach nie mehr wiedersehen werden. So zumindest sieht es die aktuelle Regelung des Freistaats vor.
Doch damit wollen sich die Bürger nicht abfinden. Sie haben sich mit einer Unterschriftenliste und einem Schreiben sowohl an ihre Gemeinde als auch an den Landtagsabgeordneten Wolfgang Fackler (CSU) gewandt. Anlieger, die keine Vorauszahlung leisten mussten, bezahlen keinen Euro, heißt es in dem Brief. Anlieger, die einen Vorbe- scheid erhalten haben, hätten dagegen Pech gehabt, kritisieren die Verfasser. „Das kann verstehen wer möchte, wir in Wechingen verstehen das nicht.“
Einer der Initiatoren des Protests ist Johann Dürrwanger. Er hat, wie viele Anleger auch, eine vierstellige Summe für die Sanierung der Straße vorauszahlen müssen. Der Gemeinde macht er indes keine Vorwürfe, die handle schließlich nur, wie ihr aufgetragen wurde. Doch Dürrwanger hofft, dass der Freistaat die jetzige Regelung überdenkt.
Das würde sicher auch die Anwohner in der Baldinger Talergasse freuen. Dort haben die Anlieger insgesamt 210 000 Euro an Vorauszahlungen für die Umgestaltung der Straße mittragen müssen, wie der Nördlinger Stadtsprecher Rudi Scherer bestätigt. Eine Menge Geld, das nach jetziger Rechtslage nicht zurückbezahlt werden darf, erklärt Scherer. „Da hängt die Kommune auch in der Luft und wartet auf sogenannte Vollzugshinweise der Staatsregierung.“Den Anliegern die Vorauszahlungen einfach zu erlassen, sei rechtswidrig.
Landtagsabgeordneter Wolfgang Fackler meint, dass man die Sache auch mal aus einer anderen Perspektive betrachten müsse. „Die Anlieger in Wechingen müssen ein Drittel der Kosten weniger zahlen, weil das Gesetz geändert wurde.“Das sei grundsätzlich eine positive Sache. Wenn man so eine Regelung treffe, müsse man sich immer auf einen bestimmten Stichtag festlegen, das sei in diesem Fall eben der 1. Januar 2018 gewesen. Es gebe dann immer Fälle, die kurz vor dem Stichtag liegen würden – aber das sei in Wechingen ja nicht einmal der Fall. Die Maßnahme sei hier bereits 2017 komplett fertiggestellt worden.
Die Kommunen sind sich einig: Sollte der Freistaat es ermöglichen, Vorauszahlungen zu erstatten, werde man im Stadt- beziehungsweise Gemeinderat auf jeden Fall darüber diskutieren, sagen sowohl Stadtsprecher Rudi Scherer als auch der Wechinger Bürgermeister Klaus Schmidt.