Rieser Nachrichten

Der Bissinger Wasserstre­it kocht wieder hoch

Seit fünf Jahren wird um Beiträge und Gebühren gestritten. Jetzt ist sogar von Bilanzfäls­chung die Rede

- VON SIMONE BRONNHUBER

Bissingen Sebastian Konrad erhebt schwere Vorwürfe: Der Gemeindera­t spricht von Bilanzfäls­chung, Marionette­n-Gemeindera­t, künstliche­n Rücklagen, Abzocke, überhöhten Verwaltung­skosten und fehlenden Unterlagen. Konrad ist auch am Mittwoch nach der Sitzung noch aufgebrach­t. Er ist Gemeindera­t in Bissingen, am Dienstag wurde der Haushalt für dieses Jahr verabschie­det – mit vier Gegenstimm­en. Eine davon ist von Konrad. Seit er vor vier Jahren in das Gremium gewählt wurde, hat er noch nie dem Etat der Marktgemei­nde zugestimmt. „Wie auch? Man kann nicht zustimmen, wenn man weder Zahlen noch Unterlagen hat“, wettert er. Und der Hauptgrund, warum der CSUler so sauer ist: das Thema Wasservers­orgung im Kesseltal. Es ist ein Dauerstrei­t seit Jahren.

Der Knackpunkt ist die unterschie­dliche Abrechnung zwischen Klein- und Großabnehm­ern. Die Vorwürfe von Konrad: In zehn Jahren habe die Gemeinde rund eine Million Euro Schulden angesammel­t. Dieser Betriebsve­rlust würde sich aus den zu niedrigen Gebühren für den einen Großabnehm­er in der Gemeinde zusammense­tzen, sowie aus viel zu hohen Verwaltung­skosten und Ausgaben für technische­n Lohnaufwan­d. „Wenn ich es ausrechne, dann subvention­ieren die kleinen Leute den Großabnehm­er jährlich mit 10 500 Euro – oder eben die Gemeinde.“Zehn Jahre habe man nicht auf den von Konrad ausgerechn­eten Verlust reagiert. Auch die ausgewiese­nen Rücklagen in der Wasserbila­nz in Höhe von 743 000 Euro seien laut Sebastian Konrad umgebuchte Schulden. „Wenn das Eigenkapit­al der Wasservers­orgung knapp wird, dann werden seit Jahren 100000 Euro von Schulden auf Rücklagen umgebucht“, so Konrad. Seines Wissens gibt es für diese Vorgehensw­eise keine Zustimmung des Gemeindera­tes.

Auch die im Haushalt eingestell­ten rund 1,3 Millionen Euro für den Hochbehält­er in Bissingen stoßen ihm auf. Denn das Geld lasse offen, ob eine Sanierung oder ein Neubau gewollt sei. Letzteres sei für ihn und seine Mitstreite­r am Dienstagab­end, Erich Schmidbaue­r (BwB), Bernhard Hämmerle (Stillnau) und Alois Ebermayer (FDP), wirtschaft­lich untragbar. „Wir brauchen kein zusätzlich­es Speichervo­lumen, weil nur noch die Hälfte von früher ver- wird“, sagt Konrad. Dass der Hochbehält­er in Buch für rund 680 000 Euro saniert werde, sei notwendig. Was Konrad noch stört: fehlende Unterlagen. Er sagt, dass der Gemeindera­t keinen vollständi­gen Einblick in die wirtschaft­lichen Verhältnis­se der Wasservers­orgung habe – speziell die Bilanz und das Rechnungse­rgebnis von 2017 sowie der Vertrag mit Rieswasser würden nicht vorgelegt werden. „Mündliche Aufforderu­ngen haben gar keinen Wert, schriftlic­he keinen. So kann man es sagen.“

Seit September 2014 habe er immer wieder entspreche­nde Anträge gestellt und auch immer wieder auf Aufnahme ins Protokoll bestanden – nur teilweise habe er Unterlagen bekommen. „Aber am Ende bringt es nichts, denn zehn Stimmen sind dem Bürgermeis­ter immer sicher. Abgestimmt wird wie in der Augsburger Puppenkist­e – er zieht an den Fäden der Gemeinderä­te.“Beschlosse­n wurde am Dienstagab­end nicht nur der Haushalt für 2018, sondern eben auch die neue Wasserabga­besatzung und Beitrags- und Gebührensa­tzung für die Gemeinde. Die Gebühren für Kleinunter­nehmer werden demnach rückwirken­d zum 1.1.2018 von 88 auf 1,34 Cent erhöht. Großuntern­ehmer zahlen bis zu 150 000 Kubikmeter ebenfalls 1,34 Euro, alles darüber wird mit 1,07 Euro berechnet. Damit ist der Gemeindera­t dem Willen der im Jahr 2013 gegründete­n Bürgerinit­iative „BI Wasser“nachgekomm­en.

Im Gemeindera­t fehle das Miteinande­r

Wie berichtet, wurde das 2016 gerichtlic­h sogar so festgelegt. Ein Thema, das belastet und blockiert, wie Bürgermeis­ter Michael Holzinger sagt. Nicht nur ihn, sondern auch die Verwaltung. „Über alles wird geschimpft. Das hindert unsere Arbeit“, so Holzinger.

Die Vorwürfe, die er am Dienstagab­end in der öffentlich­en Sitzung vor einigen Zuhörern zu hören bekam, kennt er. Speziell beim Thema Wasser gibt es in seinem Gemeindera­t klare Lager – links und rechts vom Tisch. „Es gibt kein Miteinande­r mehr wie früher im Gemeindeka­uft rat. Wir arbeiten nicht mehr gemeinsam an einem Ziel oder Projekt. Das macht alles sehr schwerfäll­ig.“Zudem wisse er, dass es bei einigen Räten am Vertrauen in seine Person, aber auch in die Verwaltung fehle. „Leider.“

Zu den konkreten Vorwürfen von Sebastian Konrad führt Holzinger aus, dass es eine nicht öffentlich­e Vorberatun­g gab, bei der genau diese Vorgehensw­eise im Bezug auf die Wassergebü­hren besprochen und mehrheitli­ch beschlosse­n wurde – Konrad war bei dieser Sitzung verhindert.

Von „umgebuchte­n Schulden“oder gar einer Bilanzfäls­chung distanzier­t sich der Bissinger Rathausche­f deutlich: „Wir haben einen externen Gutachter beauftragt, der uns diese Kalkulatio­n gemacht hat. Ich lasse das prüfen, und er soll zu diesem Vorwurf Stellung nehmen. Aber ich lasse mir nichts nachsagen, was ich weder gemacht noch angeschaff­t habe.“

Holzinger erklärt, dass eine tatsächlic­he Kostenunte­rdeckung (2013-2016) von 324 000 Euro in der Kalkulatio­n für nicht eingenomme­ne Beiträge eingerechn­et wurde und die Differenz in Höhe von 108000 Euro stecke im allgemeine­n Haushalt. Das habe nicht er sich ausgedacht, sondern ein Gutachter, und das sei vor der Haushaltss­itzung am Dienstag so mit dem Gremium beraten worden. Zudem sei erst vergangene Woche die Rechtsprüf­ung im Rathaus gewesen und habe nichts in die Bücher geschriebe­n.

Auch den Vorwurf der fehlenden Unterlagen kennt Holzinger. Er sagt, dass das Rechnungse­rgebnis von 2017 noch nicht vorliege. Manche Zahlen, wie etwa die eine Million Schulden in den vergangene­n zehn Jahren, könne er nicht nachvollzi­ehen. „Die Zahlen kommen von Herrn Konrad.“

Die nun beschlosse­ne Gebührenst­affelung sei ebenfalls rechtlich abgesproch­en und die Ausgaben für die Verwaltung seien prozentual seit 15 Jahren nicht verändert worden. Holzinger: „Wir haben uns bemüht und immer versucht uns gemeinsam zu verständig­en. Jetzt haben wir komplett auf Gebührensa­tzung umgestellt. Warten wir die Entwicklun­g ab.“

 ?? Foto: Simone Bronnhuber ?? Der Hochbehält­er in Bissingen ist Streitthem­a im Gemeindera­t. Die einen sagen, dass ein Neubau nicht sinnvoll ist, die anderen plädieren dafür. Eine Entscheidu­ng ist noch nicht gefallen. Im Haushalt sind für beide Möglichkei­ten aktuell 1,3 Millionen Euro eingestell­t.
Foto: Simone Bronnhuber Der Hochbehält­er in Bissingen ist Streitthem­a im Gemeindera­t. Die einen sagen, dass ein Neubau nicht sinnvoll ist, die anderen plädieren dafür. Eine Entscheidu­ng ist noch nicht gefallen. Im Haushalt sind für beide Möglichkei­ten aktuell 1,3 Millionen Euro eingestell­t.

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