Zutiefst unchristlich
Schon erstaunlich, dass Religion, Glaube und Kirche wieder so eine große Rolle spielen in den öffentlichen Debatten. Wo doch die Zahl der Gottesdienstbesucher sinkt, die der Kirchenaustritte steigt und der Verdruss über Bischöfe oder „die Amtskirche“und ihre Skandale wächst. Mit Religion, Glaube und Kirche wird Politik gemacht – spätestens seitdem „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“(Pegida) durch Dresden marschieren.
Sie und andere bringen das Christentum in Stellung gegen den Islam. Sie schieben es vor, instrumentalisieren es. Ein Vorwurf, den sich auch Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder gefallen lassen muss, der seinen Kreuz-Erlass zunächst damit begründete, dass das Kreuz „nicht ein Zeichen einer Religion“, sondern ein „Bekenntnis zur Identität“sei.
Wir erleben in den aufgeheizten Debatten dieser Tage, wie der christliche Glaube zurechtgebogen wird. Wie es eben gerade passt. Martin Sichert etwa, Bayerns AfDLandesvorsitzender, begrüßte Söders Kreuz-Erlass als „Maßnahme, allen Menschen deutlich zu machen, dass die Basis des Zusammenlebens in Deutschland eine christlich-abendländisch geprägte Leitkultur ist“. Ausweislich ihres Programms für die Landtagswahl will seine Partei in den kommenden Monaten jedoch Wahlkampf gegen die Kirchen betreiben. Die AfD ist sich dabei nicht zu schade dafür, diese mit Blick auf die Staatsleistungen – Entschädigungszahlungen für Enteignungen im 18. und 19. Jahrhundert – als „Lobbygruppe“zu schmähen. Es bleibt zu hoffen, dass Wähler dies als das entlarven, was es ist: zutiefst unchristlich.