Russ? Radler!
Kulturelle Eigenheiten bringen bisweilen nicht nur den Weitgereisten in Verlegenheit. Manchmal reicht auch ein Ausflug an die Ränder der Heimat für einen beherzten Tritt ins Fettnäpfchen. Der Schreiber dieser Zeilen war jüngst auf Männerausflug per Rad an der bayerisch-tschechischen Grenze unterwegs. Wie eine Oase schien den Dürstenden da bei flirrender Hitze auf der Fahrt durch schier endlose böhmische Wälder ein winziger Kiosk – just eine Handbreit noch auf weiß-blauem Territorium gelegen. Ein dort rastender, einsamer Wanderer bedeutete den beiden Radlern mit einem Kopfnicken, Bedienung kommt gleich. Und tatsächlich erschien sogleich eine wallkürenhafte Dame mit geschäftstüchtiger Freundlichkeit auf der Szene. Mit unverkennbar „bähmischem“Idiom fragte die Blonde die Getränkewünsche ab. (Exkurs: Besonders gerne trinkt der gesundheitsbewusste Bayer bei sportlicher Betätigung ein isotonisches Biermischgetränk, das zu je 50 Prozent aus Weizenbier und klarer Zitronenlimonade gemischt wird. Allerdings ist die Herkunft der Namensbezeichnung umstritten, weshalb – so die Erfahrung – dieses herrlich spritzige Getränk selbst im Freistaat nicht allerorten bekannt ist.)
Der Gast leitete die Bestellung also mit einer Frage ein: „Habt’s ihr an Russ?“Mit einem Schlag hatte die üppige Blonde ihr einnehmendes Lächeln ausgeknipst, die Miene eingefroren. „Rrusss“repetierte sie nach einigen funkelnden Augenblicken schnarrend. „Ja, ähh, Weißbier mit Limo, an Russ halt ...“, setzte der Gast zu einer Erklärung an. Was die Laune der Kioskbetreiberin nicht aufhellte. „Weißbiärr ...Rrusss“, wiederholte sie mit bedrohlichem Unterton. Der hilflose Blick des Durstigen wanderte zum Gefährten, der schmunzelnd den Dialog verfolgt hatte. „Zwoa Radler“, brach er den Bann. „Ahh Radlr“, antwortete die Sirene und drehte ab, nicht ohne dem Verwirrten einen spöttischen Blick zuzuwerfen. Die Gefährten blickten sich an, dann prusteten sie los.