Der schlimmste Knast des Königreichs
Dreck, Kakerlaken, schlafendes Wachpersonal, Gewalt: Im privat betriebenen Gefängnis von Birmingham herrschen unhaltbare Zustände. Medien nennen es „Höllenloch“. Es ist nicht das einzige in Großbritannien
London Peter Clarke hat auf seinem Weg zum obersten Gefängnisinspektor des Vereinigten Königreichs schon viel Beklagenswertes gesehen und auch Ungeheures erlebt. Und doch ist es ihm erst einmal passiert, dass er einen Gebäudeflügel verlassen musste aufgrund „des Effekts, den die Drogen auf mich ausübten“, wie er nun erzählt hat. Dreck und Kakerlaken, Rattenkot und Blut auf dem Boden, dazu Gewalt zwischen rivalisierenden Gangmitgliedern, abwesendes oder schlafendes Gefängnispersonal – sowie eben eine Luft, in der sich der Geruch von Drogen festgesetzt hat.
Der Chefkontrolleur der britischen Regierung hat das Gefängnis in Birmingham gerade erst als „das schlimmste“bezeichnet, das er je besucht habe. Medien nennen es „Höllenloch“. Clarkes Beschwerde bei Justizminister David Gauke über die Zustände hat jetzt Konsequenzen. London entzog dem privaten Betreiber G4S, der einen 15-JahresVertrag für die Führung des Gefängnisses hat, die Verantwortung, organisierte Extra-Personal für die Haftanstalt aus viktorianischer Zeit und kürzte die zulässige Kapazität von 1200 Insassen um 300.
Es ist das erste Mal, dass die Regierung auf diese Art die Geschäfte einer Knast-Dienstleistungsfirma übernimmt. G4S betreibt fünf der insgesamt 16 Gefängnisse, die in England und Wales in privater Hand sind. Die anderen vier befänden sich jedoch in gutem Zustand, hieß es vonseiten des Ministeriums.
Dennoch dürfte die Diskussion um die Privatisierung des Strafvollzugs – die erste von einem Unternehmen geführte Anstalt eröffnete auf der Insel im Jahr 1992 – neuen Auftrieb bekommen. Die oppositionelle Labour-Partei fordert, keine weiteren Einrichtungen, etwa aus Spargründen, aus staatlicher Verantwortung zu geben. Doch der für Gefängnisse zuständige konservative Minister, Rory Stewart, sagte, dass Birmingham zwar „inakzeptabel“sei, es aber als innerstädtisches Untersuchungs-Gefängnis ganz eigene Herausforderungen zu meistern habe. Landesweit könne man auf „gute, privat-betriebene“Haftanstalten verweisen. Die Konservativen beziehen sich gerne auf Studien, nach denen Firmen Gefängnisse wirtschaftlicher führen als der öf- fentliche Dienst und zudem die Rückfallrate nach der Entlassung niedriger sei. Das wies einmal der Think Tank „Reform“nach.
Das Konzept wird demnach nicht infrage gestellt, obwohl sich Peter Clarkes Bericht aus Birmingham in eine Serie von Krisen einreiht. So gab es in den vergangenen Jahren immer wieder gewaltsame Aufstände in verschiedenen Gefängnissen, die meisten aus Protest gegen die Haftbedingungen. Die Zahl schwerwiegender Gewalttaten in Gefängnissen in England und Wales ist massiv gestiegen. Im Jahr 2016 wurden mehr als 3000 registriert.
Im Gefängnis von Birmingham war erst vor knapp zwei Jahren eine Revolte ausgebrochen – es war die größte in einer britischen Haftanstalt seit 1990. Hunderte Insassen beteiligten sich daran. Mangelnde Hygiene, schlechtes Essen und fehlendes Personal hatte sie in Rage versetzt. Spezialeinheiten benötigten zwölf Stunden, um den Aufstand zu beenden. Warum also ist die Regierung nicht früher eingeschritten, warum tat sich selbst nach der Revolte vom Dezember 2016 nichts?
Minister Stewart nannte geschäftliche Verhandlungen mit G4S als einen der Gründe für die verspäteten Notfallmaßnahmen. Es scheine, so sagte der ehemalige Justizminister der oppositionellen Labour-Partei, Charles Falconer, als konzentriere sich die Haftbarkeit von Ministern auf jene Einrichtungen, die öffentlich verwaltet werden. „Doch für die Bedingungen in Gefängnissen, egal ob in öffentlicher oder privater Hand, ist der Staat verantwortlich.“