Ein Herz und eine Seele
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel demonstrieren Einigkeit in der Flüchtlingspolitik
Marseille Symbolträchtige Orte wählt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gerne aus für Treffen mit Staats- und Regierungschefs. Und so empfing er Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag nicht in Paris, sondern in der kosmopolitischen Hafenmetropole Marseille, die als Tor zum Mittelmeer gilt. In wohl kaum einer anderen französischen Stadt ist die Einwanderung vor allem aus den früheren Kolonien des Landes stärker spürbar.
Das Thema Migration im europäischen Kontext war auch eines der wichtigsten, das Kanzlerin und Präsident im Pharo-Palast besprachen, der über einer Bucht thront. So bereiteten sie bereits den EU-Gipfel zur Flüchtlingsthematik vor, der am 19. und 20. September in Salzburg stattfindet. Wie üblich vor großen EU-Treffen bemühten sie sich im Vorfeld um eine Angleichung ihrer Positionen, um möglichst mit einer Stimme sprechen zu können.
„Deutschland und Frankreich arbeiten weiter zusammen, um die Zukunft vorzubereiten“, sagte Macron zum Auftakt der Begegnung. Diese diene dazu, ihre „gemeinsame Agenda“, die bei einem Treffen im Juni in Meseberg geschaffen wurde, weiter zu verfolgen und die „großen Herausforderungen unserer Zeit“ anzugehen. Das Mittelmeer befinde sich „im Herzen unserer europäischen Politik“– und daraus wolle man „eine Chance, keine Angst machen“, sagte Macron. Er reagierte damit auf Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der die Migration „die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land“genannt hatte. Frankreich tritt für geschlossene Sammelzentren für Flüchtlinge in Europa ein sowie für die konsequente Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas, um die Zahl der in Europa ankommenden Migranten zu verringern.
Als weitere wichtige Themen nannte Macron den Fahrplan für den nahenden Brexit, eine gemeinsame Verteidigungs-, Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Vertiefung der Eurozone, um die Währungsunion krisenfester zu machen.
Merkel, die Macron bei ihrem kurzen Auftritt vor der Presse duzte, bestätigte, bei Fragen der Migration verfolgten Deutschland und Frankreich „dieselbe Art des Vorangehens“. Europa müsse sich in dieser Frage beweisen. Ihr Hinweis, dass Europa auch davon abgesehen „eigenständig Probleme lösen können müsse“, schloss an Macrons jüngst geäußerte Forderung an, in Sachen Verteidigung unabhängiger vom starken Nato-Partner USA zu werden und sich selbst mehr zu engagieren.
Frankreichs Präsident bereitet sich bereits auf die Europawahlen im Mai 2019 vor. Auf der Suche nach Allianzen traf er in den vergangenen Wochen die Regierungschefs von Spanien und Portugal sowie kürzlich die von Dänemark, Finnland, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden. Nicht nur sucht er nach Verbündeten für seine Partei „La République en marche“, die bislang noch keiner europäischen Parteienfamilie angehört. Auch stilisiert er sich zum Gegenspieler des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán sowie des italienischen Innenministers und LegaChefs Matteo Salvini: Er selbst, so Macron, stehe für eine „Achse der Fortschrittlichen“– im Gegensatz zu den Populisten und Hardlinern in Migrationsfragen.
Indirekt hatte er am Donnerstag auch auf eine Frage nach seiner Meinung zur Kandidatur des CSU-Politikers Manfred Weber für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten geantwortet. Er forderte eine klare Haltung der EVP-Fraktion, der die CDU/CSU wie auch die Partei Orbáns angehört: „Man kann nicht gleichzeitig die Kanzlerin und Orbán unterstützen“, so Macron. Merkel jedenfalls sei „völlig auf der Seite der Fortschrittlichen“.