Voll Neunziger!
In der Saison für Herbst und Winter appellieren die Modemacher an das Selbstbewusstsein der Frauen, an Mut und Individualität. Viele Topdesigner bedienen sich dabei bei Vorbildern der neunziger Jahre. Was hinter den Trends steckt
Der lange warme Sommer hat sich in den meisten Modegeschäften schon lange verabschiedet, die Herbst- und Winterkollektionen lassen an kalte Tage denken. Was sind die Trends der Saison für Frauen? Die meisten Experten sind sich einig: Angesagt sind modische Statements. „Die Mode muss für unterschiedliche Identitäten und Rollen, die wir täglich annehmen, spielen und ausleben, vielfältig sein“, erklärt Trendexperte Gerd Müller-Thomkins. Und selbstverständlich sollte die Frau generell nur tragen, was sie mag, betont der Chef des Deutschen Mode-Instituts, das für die deutsche Textilbranche aktuelle Trends und Entwicklungen aufspürt.
Der Trend steht dabei für Selbstbewusstsein: „Frau darf Frau sein und ist im Beruf präsent“, sagt die Modedesignerin Kristina CasparyGallus. Dazu gehört unter anderem, dass die Frau mit ihrer Silhouette spielt. Trendexperte Müller-Thomkins empfiehlt zum Beispiel dafür den Blazer, der aktuell wieder von den Modellen der achtziger Jahre inspiriert ist – also überbreite, gepolsterte Schultern hat. Ansonsten stehen Taille und Hüfte im Fokus, auch wenn sie mit großen Formen umhüllt werden. „Ein Outfit aus Korsage und Hose wird mit einer übergroßen Jacke oder einem Mantel kombiniert“, nennt CasparyGallus ein Stylingbeispiel.
Mit diesen Formen einher gehen die sogenannten Girlboss-Hosenanzüge. Grob gesagt: Wer es schafft, die eigenen Stärken auszuspielen, wird als Girlboss bezeichnet. Diese Wirkung aufgreifenden Anzüge taugen etwa für elegante Anlässe oder selbstbewusstes Auftreten beim Geschäftstermin. „Sie bilden mit maskulinen Schnitten und breiten Schulter kontrastreiche Gegensätze zu femininen Trends“, erklärt Valentina Milakovic, Modeexpertin der Zeitschrift Maxi. Kombiniert wird der Zweiteiler aus Blazer und weit geschnittenen Bundfaltenoder Flatterhosen, die jetzt im Modedeutsch Slacks heißen, mit einem einfarbigen hellen Oberteil. Hohe Schuhe wie klassische schwarze Pumps strecken das Bein.
Nicht nur die Mode der Achtziger, auch die Neunziger gelten derzeit als Retrovorbild vieler Designer. Sie setzen auf Versace-typische Muster, viel Goldschmuck und schwarzes Leder. Selbst die Gürteltasche erlebt ein Revival, vor dem selbst Karl Lagerfeld nicht haltmacht.
„Seit Donna Versace im Herbst 2017 die Topmodels der Neunziger zurück auf den Runway geschickt ist der Nineties-Trend kaum zu bremsen“, sagt Modejournalistin Milakovic. Das kommt nicht von ungefähr, in den vergangenen Saisons haben sich zum Beispiel schon Erfolgsmarken der neunziger Jahre wie Fila und Champion einen Platz in der Mode zurückerobert – und teils sogar ihre Bestseller von damals neu aufgelegt. In diesem Winter passiert vor allem auf Oberteilen viel, das an die alte Zeit erinnert. „Statement-Strick sowie Shirts und Hoodies mit Bildern und Typografie fallen auf“, sagt Trendscout Müller-Thomkins. Ob es das Marhat, kenzeichen eines Labels oder ein auffallendes Symbol ist: Das Logo wird wieder zum Blickfang. Das ist längst nicht alles, was das Neunziger-Revival bereithält: Auch Metallics gehören dazu, wobei die schon seit einiger Zeit wieder groß in Mode sind. „Sie zeigen sich deutlich subtiler in hell und zart schimmernd in Silber oder Weißgold“, erläutert Müller-Thomkins die aktuelle Richtungsverschiebung dieses Trends. Glänzende Kleidungsstücke bilden häufig einen Kontrast zu schlichtem Strick und sportivem Jersey.
Wer mit kühlen Metallics nichts anfangen kann, aber schimmern will, kann es mit Samt und seidigen Stoffen versuchen. Sie werden im Gegenspiel zu festen, klassischen Stoffen getragen. Ein Samtoberteil kann also gut zur kernigen Jeans kombiniert werden. Farblich ist Samt in warmen, intensiven Tönen zwischen Senf, Ocker, Orange und Terrakotta beliebt.
Weiterhin aktuell bleibt auch das Karo. Neu interpretiert ist es auf Blusen, Hosen und Blazern zu finden. Lässig kombiniert zur klassischen
Der „Girlboss“Anzug kommt mit breiten Schultern
Kunstpelz und Plüsch wärmen an eiskalten Tagen
Bluejeans und zum weißen Shirt, verliert der karierte Blazer auch seine Spießigkeit. Doch es darf gerne noch mehr vom britischen Flair sein, zum Beispiel als Komplett-Outfit.
Verfrorene dürfen sich in diesem Winter nicht beschweren: Oversized-Layerings nennt sich ein weiterer Trend, der besonders an kalten Tagen seine praktischen Vorteile hat. Es werden viele Lagen übereinandergezogen und es wird mit verschiedenen Weiten gespielt. „Westen werden dabei über Jacken und Mäntel gezogen“, sagt Milakovic.
Hier geht es dann sogar noch mal tiefer zurück in die Vergangenheit: Die dicken, warmen Jacken und Mäntel aus Kunstpelz und Plüsch der siebziger Jahre werden zum Modethema. Sie fallen auch durchaus mit Farbe auf. Ebenfalls schon bekannt aus jener Zeit ist „Shearling“. „Das ist Lammfell, bei dem die eingefettete und gefärbte Lederseite außen getragen wird und das Fell innen“, sagt Mode-Journalistin Milakovic. Ansonsten setzt man für kalte Tage im Freien auf Cord und Bouclé, die ihr angestaubtes Image ablegen und lässiger wirken. Aber, so Milakovic’ Tipp: „Am besten kombiniert mit einem coolen Bandshirt, Jeans und Chucks.“