Schlägt hier ein Eisklotz von einem Flugzeug ein?
Während Harald Braun durch Augsburg fährt, wird sein Auto mit großer Wucht von einem Gegenstand getroffen. Der Bissinger kann das mit einem Video belegen. Nun sucht die Polizei nach dem Verursacher
Augsburg/Bissingen Ein lauter Knall. Es klingt wie ein Schuss. Der Bissinger Harald Braun ist mit seinem Auto in der Augsburger Dieselstraße unterwegs, kurz vor der Brücke über die Wertach. Er erschrickt. Er stoppt den BMW, steigt aus und sieht eine massive Delle im rechten Kotflügel. Es sieht aus, wie wenn jemand mit großer Wucht einen Hammer darauf geschlagen hätte. Etwas muss auf sein Auto gefallen sein. Hat jemand einen Stein geworfen? Braun sucht die Stelle gründlich ab, doch er findet nichts. Jetzt hat er einen ganz anderen Verdacht: Es muss ein Eisbrocken gewesen sein, der sich von einem Flugzeug abgelöst hat.
Harald Braun, 51, kennt sich aus mit Schäden an Fahrzeugen. Er ist Kfz-Sachverständiger. Und er hat in seinem Auto eine Kamera installiert, mit der er durch die Frontscheibe das Geschehen vor seinem Fahrzeug filmen kann – eine sogenannte Dashcam. Die Aufnahmen können nach Unfällen als Beweis genutzt werden. Erst kürzlich hat der Bundesgerichtshof das für rechtlich zulässig erklärt. Harald Brauns Kamera zeigt, wie ein Gegenstand nach unten fällt und auf dem Kotflügel aufschlägt. Der Gegenstand wirkt in dem Video rötlich. Das könnte an einer Spiegelung liegen, vermutet der Kfz-Gutachter. Schaue man sich den Gegenstand aber genauer an, so zeige sich, dass es ein Eisklotz sein könnte. Er ist zylinderförmig, etwa 10 auf 20 Zentimeter groß.
Harald Braun meint: „Man kann von Glück sagen, dass kein Fußgänger davon getroffen worden ist.“Doch ist es überhaupt möglich, dass ein Flugzeug Eis verliert? Grundsätzlich Ja, lautet die Antwort des Luftfahrt-Bundesamtes. Die Behörde hat ein Informationsblatt zu diesem Phänomen verfasst. Darin heißt es: „Vereinzelt erreichen uns Meldungen, dass mehr oder minder große Eisbrocken vom Himmel gefallen sind, manchmal grünlich oder bläulich gefärbt und oft schlecht riechend.“Solches Eis stammt von Flugzeugtoiletten. Das verbrauchte Wasser wird normalerweise im Flieger gesammelt und später am Boden abgepumpt. Es könne aber Fälle geben, schreibt das Luftfahrt-Bundesamt, in denen die Anschlussventile undicht sind. Dann können Tropfen austreten, festfrieren und sich langsam vergrößern. Bis sie von der Außenhaut des Flugzeugs abfallen.
Am BMW von Harald Braun ist durch den Einschlag ein Schaden von an die 2000 Euro entstanden. Er arbeitet seit 25 Jahren als Kfz-Sachverständiger in Bissingen im Kreis Dillingen. Von einem kleineren Stein könne solch eine Delle nicht stammen, sagt er. Den Schaden will er nicht aus eigener Tasche bezahlen. Er habe ihn schließlich nicht zu verantworten, sagt er.
Er hat deshalb den Fall bei der Polizei gemeldet. Als er beim zuständigen Revier anrief und den Vorfall schilderte, dachte die Beamtin am Telefon an einen Scherz. Die Polizistin vermutete zuerst, sie habe den Spaß-Anrufer des Radiosenders Hitradio RT1 am Telefon. Er nennt sich ebenfalls „Herr Braun“. Als Harald Braun dann persönlich auf dem Revier erschien und die Aufnahmen zeigte, sah die Sache anders aus. Die Beamten nahmen den Fall genau auf. Ermittelt wird nun wegen des Verdachts der Sachbeschädigung und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Ein Polizeisprecher sagt: „Wir werden versuchen, herauszufinden, was für ein Gegenstand das war und wie er dort hingekommen ist.“
Nur eine Handvoll Flugzeuge war laut dem Internetportal flightradar24.com über dem Großraum Augsburg unterwegs, als sich der Vorfall am Freitagabend, gegen 19.20 Uhr, ereignet hat. Das Luftfahrt-Bundesamt jedenfalls teilt mit, dass es schwer festzustellen sei, von welchem Flugzeug ein Eisbrocken stammen könnte. Meist seien mehrere Flugzeuge im Luftraum gewesen. Die genaue Flugbahn des Eisbrockens kann Experten zufolge nur schwer nachvollzogen werden.
Den Behörden sind eigenen Angaben zufolge bisher nur Fälle bekannt, die sich im Anflugbereich von Flughäfen abgespielt haben. Hier habe es auch schon einmal Schäden an Häusern gegeben.
Das Luftfahrt-Bundesamt spricht davon, dass solche Fälle nur „sehr selten“seien. Genaue Zahlen nennt es nicht. Von Verletzten durch Flugzeug-Eis ist bislang nichts bekannt. Im Internet gibt es ein Video zu sehen, das ebenfalls einen mutmaßlichen Einschlag von FlugzeugEis zeigt. Es wurde von der FrontKamera eines Taxis in London aufgenommen.
Ein Brocken fällt dabei mit großer Geschwindigkeit auf eine Straße und zerbricht in viele Teile. Ein Straßenkehrer steht wenige Meter daneben. Die britische Luftsicherheitsbehörde meldet dazu, dass es rund 30 solcher Vorfälle pro Jahr gebe. Im Dezember vorigen Jahres riss ein Eisbrocken auch ein Ehepaar in Lauingen (Kreis Dillingen) aus dem Schlaf. Das Eis – etwa so groß wie ein Handball – stammte möglicherweise auch von einem Flugzeug. Es war auf das Hausdach gekracht und hatte einen Schaden von 3000 Euro verursacht. Der Hausbesitzer sagte damals: „Ich dachte, da ist eine Bombe explodiert.“ Hinweistelefon Die Polizei sucht Zeu gen, die den Vorfall am Freitag in der Dieselstraße beobachtet haben. Sie ist er reichbar unter 0821/323 2510.