Der Kapitän war nicht an Bord
Der Bootsführer der Unglücksfähre ließ einen Laien lenken. Mehr als 200 Menschen starben. Ein Passagier hat unglaubliches Glück
Daressalam Die Tragödie auf dem ostafrikanischen Victoriasee ist ein Mahnmal für alles, was in der afrikanischen Schifffahrt schiefläuft. Nach dem Fährunglück vom Donnerstag im tansanischen Teil des Sees sind über das Wochenende mehr als 220 Leichen geborgen worden. Sie sind gestorben, während der Kapitän nicht an Bord seines Schiffes war. Präsident John Magufuli ordnete an, alle Verantwortlichen festzunehmen.
Der Kapitän kam als Erster in Haft, wie die Zeitung The Citizen berichtet. Er sei an Land geblieben und habe das Ruder jemandem überlassen, der für das Führen eines Schiffes keine Ausbildung habe. Augenzeugen berichteten, dass der Aushilfskapitän außerdem durch sein Handy abgelenkt gewesen sei.
Die Unglücksfähre kenterte kurz vor ihrem Ziel, der Insel Ukara. Als Hauptgrund für das Unglück nannte Tansanias Präsident Magufuli die Überladung der Fähre. Mehrfach sanken in Afrika in den vergangenen Jahrzehnten Schiffe, auf die die Verantwortlichen viel mehr Menschen gelassen hatten, als sie eigentlich tragen konnten. Doch in all die Fassungslosigkeit, in die Trauer bei der Beisetzung der ersten Opfer, mischte sich am Samstag auch ein kurzer Moment der Freude: Zwei Tage nach dem Unglück wurde ein Überlebender gefunden, wie Verkehrsminister Isack Kamwelwe sagte. Es handele sich um einen Ingenieur der Fähre, er sei in kritischem Zustand. Der Mann hatte in einer Luftblase im Inneren des Schiffes überlebt.
Nach ersten Schätzungen waren mehr als 300 Menschen an Bord, die exakte Zahl ist aber nicht bekannt. Ausgelegt war die Fähre für 101 Personen. Rund 100 Menschen wurden direkt nach dem Unglück am Donnerstag gerettet. Die Regierung bot den Familien der Opfer 500 000 Tansania-Schilling (etwa 186 Euro) als Kompensation an. Die Fähre war 2014 in Auftrag gegeben und erst vor zwei Monaten renoviert worden, wie ein Regierungssprecher sagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schrieb an Magufuli: „Ich möchte Ihnen und den Bürgerinnen und Bürgern Tansanias meine aufrichtige Anteilnahme und mein tief empfundenes Mitgefühl ausdrücken.“
Der Victoriasee liegt in Tansania, Uganda und Kenia. Tödliche Unfälle kommen dort immer wieder vor. Oft sind Boote und Fähren überfüllt, in der Region gibt es häufig Unwetter. 2012 etwa war eine Fähre auf dem Weg zur Tropeninsel Sansibar gesunken, mindestens 100 Menschen ertranken. Im Vorjahr waren mehr als 160 Menschen bei einem Fährunglück vor der Küste von Sansibar gestorben.