Leitartikel Die fetten Jahre sind vorbei
Die Unsicherheit wächst. Wachstums-Prognosen werden kassiert und Börsianer bekommen zittrige Hände. Doch noch halten sich deutsche Unternehmen gut
US-Notenbank wird weiter Zinsen erhöhen
Die U-Worte sind zurück. Unsicherheit und Unbehagen machen sich in der Wirtschaftswelt breit. Wurden unangenehme Tatsachen lange verdrängt, setzt sich auch in Deutschland die Erkenntnis durch: Das hohe Niveau wird im kommenden Jahr kaum zu halten sein. Die fett-goldenen Zeiten gehen ihrem Ende entgegen. Vieles spricht dafür, dass nun eine silberne Periode anbricht. Das Wachstumstempo wird sich also, wie es die Prognosen der Bundesregierung und der Forschungsinstitute nahelegen, verlangsamen.
Die Wirtschaft schaltet damit vom Überhitzungs- in den Normal-Modus um. Dabei geht es vielen Unternehmen nach wie vor gut. Das Prinzip der Verdrängung unliebsamer Tatsachen funktioniert aber nicht mehr. Zu lange herrschte hierzulande der rheinische Super-Optimismus vor. Der Spruch „Et hätt noch emmer joot jejange“, es ist bisher noch immer gut gegangen, taugt für TrumpZeiten ökonomisch nicht. Gegen die protektionistische Politik des USPräsidenten muss alle Zuversicht ins Leere laufen, denn der Amerikaner hat mit seinen Zöllen gegen China Fakten geschaffen, die auch deutschen Firmen Schmerzen bereiten. So muss BMW finanziell bluten, liefert der Autohersteller doch in den USA hergestellte Fahrzeuge in das asiatische Land. Auch wenn die Münchner umsteuern und im höheren Maße in China Autos produzieren, sind sie zunächst Opfer Trumps Politik der harten Hand.
Weil in der Welt der Wirtschaft alles mit allem zusammenhängt, musste BMW als Aktiengesellschaft eine Gewinnwarnung herausgeben. Ein ähnliches Schicksal traf andere deutsche Dax-Unternehmen wie Daimler. Trump kostet den Globalisierungsgewinnern, die seit dem Ende der Finanzmarktkrise 2010 von Erfolg zu Erfolg fahren, Gewinn und Börsenwert.
So ist es erstaunlich, dass die Aktienmärkte erst zuletzt kräftig gebebt haben. Die Spieler an den Börsen sind eben im Innersten unbelehrbare Optimisten. Viele glaubten, Trump werde mitsamt seines Protektionismus scheitern. Folglich ging die Aktien-Party lange weiter, obwohl schon vor Monaten die U-Worte in der allgemeinen Feierstimmung an den Kapitalmärkten immer lauter zu hören waren. Neben Unsicherheit und Unbehagen wird zunehmend auch Unruhe zum wirtschaftlichen Dauergast.
Dabei könnte Trump Opfer seines eigenen kurzfristigen ökonomischen Erfolgs werden: Denn die US-Wirtschaft wächst zwar stark und die offizielle Arbeitslosenrate ist sehr niedrig, aber von der Zinsseite droht Ungemach: Die USNotenbank wird trotz aller Rüpeleien des Präsidenten ihre Politik der Zinserhöhungen fortsetzen. Da mag Trump das Verhalten der Währungshüter als „verrückt“bezeichnen, sie müssen den Geldhahn weiter zudrehen, auch um Inflation zu bekämpfen. Weil die US-Zinsen vielleicht sogar auf den Wert von drei Prozent klettern, werden US-Staatsanleihen immer attraktiver. Daher wird derzeit weltweit Geld vom Aktienmarkt in festverzinsliche US-Papiere umgeschichtet. Auch das erklärt die zum Teil enormen Kursrückgänge an den Börsen. Und umso schamloser Trump auf der Unabhängigkeit der amerikanischen Notenbanker verbal herumtrampelt, desto hartnäckiger werden die Betroffenen an ihrem gut begründeten Kurs schrittweiser Zinserhöhungen festhalten.
Das wiederum setzt die europäischen Zentralbanker unter Druck, ihre Nullzinspolitik zu beenden. Doch ihnen sind noch die Hände gebunden, nicht zuletzt wegen der unverdrossenen Schuldenmacher aus Italien. Auch deren Unbelehrbarkeit trägt dazu bei, dass Unsicherheit zum Wort der Saison wird.
Wann und ob dieser Zustand in eine Krise mündet, ist unklar.