Wenn Versicherer Kunden verunsichern
Ratgeber Die Axa droht gerade über 17 000 Versicherten mit einer Kündigung – ganz ohne Schaden. Aber dürfen die Unternehmen das überhaupt?
Augsburg Zwei Einbrüche in einem Winter, zwei Fahrraddiebstähle hintereinander, das Handy der Freundin fallen gelassen und ein Jahr später noch das iPad des Ehemanns – das reicht oft schon, um eine Kündigung vom Versicherer zu bekommen. Dass Assekuranzen selbst bei langjährigen Versicherten die Rote Karte ziehen, komme häufig vor, je nach Sparte, warnt Sascha Straub, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Die Geschassten haben dann Mühe, eine gute neue Police zu kriegen. Ein Rauswurf geht aber auch ganz ohne Schaden: Die Axa drohte gerade gut 17 500 Versicherten, ihre UnfallKombirenten-Policen zu kündigen, sollten sie nicht in eine wenig attraktive Alternative wechseln. „Das ist das erste Mal, dass Verbraucher so massiv aus einer Personenversicherung rausgedrängt werden“, kritisiert Bianca Boss, Sprecherin des Bunds der Versicherten, kurz BdV.
Was tun, wenn man vor die Tür gesetzt wird?
Grundsätzlich haben viele Versicherer das Recht, ihren Kunden nach einem Schadensfall außerordentlich zu kündigen – allerdings gilt das nur für private Unfall- und Schadenverträge. Dazu gehören unter anderem Sachversicherungen wie die Hausrat-, Wohngebäude-, die private Haftpflicht-, Rechtsschutz- und Kfz-Versicherungen. Die Unternehmen checken regelmäßig, ob ihre wirtschaftliche Kalkulation auch aufgehe, erklärt Verbraucherschützer Straub. Und sie trennen sich auch von Kunden mit auffällig vielen Schadensmeldungen. Ob sie vorher zehn oder 20 Jahre lang gar keinen Schaden hatten, fällt nicht ins Gewicht. Die Versicherer wollen Geld verdienen – und nicht draufzahlen. Vor allem bei der Wohngebäude-Versicherung oder der Hausrat werde häufig die Reißleine gezogen, so die Erfahrungen Straubs. Nach Angaben des Gesamtverbands der deutschen Versicherer, kurz GDV, fallen jedes Jahr allein rund 1,1 Millionen versicherte GebäudeLeitungswasserschäden bundesweit an. Zusammen mit den Schäden aus der Hausratversicherung summieren sich die Kosten auf rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Was sollte man der Versicherung melden?
„Die Leute fallen stets aus allen Wolken, wenn der Versicherer sich von ihnen trennt“, sagt Expertin Boss. Den meisten sei nicht bewusst, dass die Kündigung nicht in erster Linie davon abhängt, wie teuer die Regulierung des Missgeschicks zu stehen kam. Vielmehr gilt: Jeder Fall wird vom Versicherer gleichwertig behandelt. Nicht nur, wer kurz hintereinander zwei kostspielige Wasserschäden im Haus hatte, läuft Gefahr, die Rote Karte zu sehen. Auch wer eine Vielzahl von Bagatellsachen meldet, riskiert die Kündigung, mahnt Boss zur Vorsicht: „Fünf Mal 50 Euro fallen sehr wohl auf.“Ihr Rat: Kleinkram lieber aus der eigenen Tasche zahlen. „Die Vorstellung, man müsse das Geld irgendwann wieder rausholen, das man all die Jahre für seine Police bezahlt hat, ist kein schlauer Ansatz“, betont Straub. Ein Rauswurf hat unangenehme Folgen. Beim neuen Versicherer wird immer abgefragt, ob es eine Kündigung gab. Ehrlichkeit muss sein. Über die gemeinsame Warn- und Hinweisdatenbank der Versicherer (His) findet der Neue die Vorgeschichte sowieso heraus. Schlimmstenfalls steht der Verbraucher am Ende ohne Absicherung da. Oder die neue Police leistet wenig, muss aber sehr teuer erkauft werden.
Können Kunden der Versicherung zuvorkommen?
Wer einen Versicherungsvermittler hat, erfährt oft frühzeitig, dass sich eine Kündigung anbahnt. „Dann bleibt dem Kunden nur noch, ihr zuvorzukommen und selbst zu kündigen“, sagt Boss. Damit erhöht er seine Chancen, einen neuen Anbieter zu guten Konditionen zu finden. Alternative: Mit dem alten Versicherer reden, ob der Vertrag nicht doch mit veränderten Konditionen weitergeführt werden kann. Möglicherweise lässt sich das Unternehmen auf eine neue Selbstbeteiligung ein, akzeptiert Auflagen für bestimmte Schäden oder den Verzicht auf Leistung. Landet das Kündigungsschreiben ohne Vorwarnung im Briefkasten, sollten Betroffene auf den Versicherer zugehen und ihm vorschlagen, selbst kündigen zu dürfen.
Wie weit dürfen Versicherer gehen?
Wer eine Lebensversicherung hat, eine private Rentenpolice, Schutz gegen Berufsunfähigkeit (BU) oder eine private Krankenvollversicherung, muss keine Kündigung fürchten. Geht es um existenzielle Polidann cen, dürfen Versicherer niemanden vor die Tür setzen – egal, wie viel Schäden anfallen und wie teuer es wird. Aber: Hatte der Versicherte bei Vertragsabschluss nachweislich gelogen, getrickst, getäuscht und beispielsweise Vorerkrankungen oder frühere Schäden verschwiegen, darf ihn der Versicherer sehr wohl verabschieden. Das gilt für jede Sparte und kann betroffene Verbraucher finanziell hart treffen.
Was gilt für Axa-Kunden?
Dass nicht einmal ein einziger Schaden vorliegen muss, um vor die Tür gesetzt zu werden, bekommen zurzeit Kunden der Kölner Axa zu spüren. Es geht um ihre private UnfallKombirenten-Policen – und dass sich der Versicherer offenbar mächtig verrechnet hat. Nach eigenen Angaben kann er die lebenslangen Renten seiner Kunden nicht mehr wie geplant bedienen. Deshalb sollen deren Verträge in Existenzschutzversicherungen umgewandelt werden. Wer nicht bis spätestens 15. März 2019 einwilligt, müsse mit der Kündigung seines Vertrags rechnen, hieß es. Das Problem am neuen Angebot: Die Alternative kostet mehr Geld, leistet aber weniger, wie die Hamburger Verbraucherzentrale kritisiert. Zielgruppe der zwischen 2006 und 2010 vertriebenen Kombirente waren Bürger, die keine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) bekamen oder sie sich nicht leisten konnten. „Wegen der Nähe zur BU sind wir überzeugt, dass die Axa überhaupt nicht ordentlich kündigen darf“, gibt Straub zu bedenken. Der Fall werde bald die Gerichte beschäftigen.