„Es ist schwer zu verstehen“
Hepatitis C Nach dem Bekanntwerden der Infektionen in der Donauwörther Klinik sorgen sich Operierte. Mögliche Betroffene erhalten einen Brief. Hatte Arzt ein Suchtproblem?
Donauwörth Eine Mischung aus Entsetzen, Sorge und Ratlosigkeit: So lässt sich die Stimmung beschreiben, die nach dem Bekanntwerden einer kaum fassbaren Serie von Hepatitis-C-Infektionen bei Patienten in der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth herrscht. Fünf Personen haben sich offenbar in der Klinik angesteckt.
Ein Narkosearzt ist in den Verdacht geraten, dafür verantwortlich zu sein. Ungewissheit herrscht nach wie vor darüber, ob der Mediziner, der längere Zeit in dem Krankenhaus gearbeitet hat und seit dem Frühjahr 2018 dort nicht mehr beschäftigt ist, das Virus möglicherweise auf weitere Personen, die in der Klinik operiert wurden, übertragen hat.
Nach bisherigen Erkenntnissen des gemeinsamen Kommunalunternehmens (gKU) Donau-Ries war der Arzt bei insgesamt rund 700 Patienten für die Narkose verantwortlich – und zwar zwischen dem 22. November 2016 und dem 24. April 2018. In diesen Zeitraum lässt sich die Gefahr einer Ansteckung einschränken. Zum Vergleich: Jährlich werden laut gKU-Vorstandsvorsitzendem Jürgen Busse an der Donauwörther Klinik rund 5500 Patienten narkotisiert.
Am Mittwoch meldete sich im Krankenhaus und im Landratsamt eine Reihe von Bürgern, die in dem Krankenhaus operiert wurden. Zum Teil wurden die Leute laut Busse persönlich vorstellig: „Manche waren stabil, manche aufgelöst.“Den früheren Patienten, die anfragen, werde gesagt, ob sie auf der Liste der rund 700 Operationen stehen, an denen der Mediziner beteiligt war. „Bei vielen können wir gleich Entwarnung geben“, so der gKU-Manager. Bis zum Nachmittag sei auch kein weiterer Patient aufgetaucht, der nach einer Operation auf Hepatitis C positiv getestet wurde.
Busse sagt, er könne die Sorge der Menschen verstehen: „Sie sind verunsichert, das ist nachvollziehbar.“Noch am Mittwoch sollte vom Gesundheitsamt die Schreiben an die 700 möglichen Betroffenen abgesendet werden. Es könne sein, dass noch weitere Personen einen Brief bekommen, berichtet der gKUVorsitzende. Derzeit schaue man aus dem genannten Zeitraum alle rund 7000 bis 8000 OP-Protokolle an, um zu ermitteln, in welchen Fällen der besagte Arzt während eines Eingriffs an einen Kollegen übergeben oder einen abgelöst hat.
Derweil blühen die Spekulationen, auf welche Weise der Mediziner das Virus übertragen haben könnte. Bei Hepatitis C sei dies nur „von Blut zu Blut“möglich, erläutert Busse. Wie dies in einem Operationssaal, in dem die Ärzte Handschuhe tragen, bei der OP-Vorbereitung oder im Aufwachraum passieren könne, darüber rätselten auch die Ärzte in der Donauwörther Klinik: „Es ist schwer zu verstehen.“
Man habe den Mann als „wahnsinnig nett und kompetent“erlebt, sagt ein Kollege. Im April 2018 trennte sich aber das gKU von dem Arzt – „im gegenseitigen Einvernehmen“, wie es offiziell heißt. Über die Gründe gibt es keine Auskünfte. Nach Informationen unserer Zeitung hat die Kripo, die wegen des Verdachts der Körperverletzung ermittelt, anscheinend die Erkenntnis, dass der Arzt zumindest in jener Zeit medikamentenabhängig gewesen sein könnte.
Jürgen Busse sagt, sollte es einen solchen Fall geben, könnte sich der Betroffene grundsätzlich an den Suchtbeauftragten im Haus wenden. Den Beschäftigten sei zugesichert, dass sie ihren Arbeitsplatz behalten könnten, wenn sie sich offenbarten und eine Therapie machten.
Bei aller Verunsicherung – so hat Jürgen Busse festgestellt – sei den aktuellen Patienten in Donauwörth anscheinend bewusst, dass sie aktuell nichts mehr zu befürchten hätten: „Es ist keiner aus der Klinik gegangen und keiner hat eine OP abgesagt.“Dies registriere man mit Erleichterung.
Die wäre noch größer, würde sich die Zahl der Infizierten nicht noch weiter erhöhen. Busse rechnet damit, dass sich ein Großteil der Leute, die auf der OP-Liste stehen, umgehend auf Hepatitis C untersuchen lässt: „In einer Woche haben wir dann Klarheit.“
Glücklicherweise sei Hepatitis C inzwischen therapierbar. Die Kosten pro Infiziertem liegen bei 30 000 bis 40 000 Euro liegen. » Bayern