Missbrauch nicht zweifelsfrei bewiesen
Justiz Am Aalener Amtsgericht ist am Donnerstag das Urteil gefallen. Staatsanwalt und Richter sagen: „Wir wissen zu wenig“
Aalen Im Prozess um den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes durch seine Mutter am Aalener Amtsgericht ist das Urteil gefallen. Der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts, Martin Reuff, spricht die 42-jährige Aalenerin frei, weil die Schuld der Frau nicht ohne Zweifel bewiesen werden könne. Er macht in seiner Begründung deutlich, dass sich das Gericht nur auf die beiden angeklagten Tatvorwürfe beruft: den sexuellen Missbrauch im Alter von drei und den schweren sexuellen Missbrauch im Jahr 2011, als ihr Sohn zwölf Jahre alt war.
Staatsanwalt Ulrich Karst spricht in seinem Plädoyer von einem sehr ungewöhnlichen und speziellen Fall. Weil das Opfer meine, dass es der Vater seines Bruders sei, bekomme der Prozess einen sehr ungewöhnlichen „Anstrich“. „Deshalb geht einem dieser Fall auch nahe, vor allem, weil noch ein kleines Kind bei der Mutter lebt“, sagt Karst. Er fügt allerdings hinzu, dass der Prozess aufgrund der mangelnden Aussagen in sich zusammengefallen sei. „Egal was war, wir können das nicht aufklären, durch die Aussageverweigerung (Anmerkung der Redaktion: des Opfers) können wir nicht eruieren, was passiert ist.“Deshalb sei die Angeklagte freizusprechen.
Der Staatsanwalt lässt die Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch nicht unerwähnt. Er richtet seine Gedanken an den fünfjährigen Sohn, der noch bei der Mutter lebt und stellt die Frage: „Was passiert, wenn dieses Kind in einigen Jahren kommt und sagt, meine Mama hat mich sexuell missbraucht?“Karst zweifelt daran, ob ein alleinerziehender Vater mit seiner Tochter leben dürfte, wenn eine andere Tochter bereits vom Jugendamt herausgenommen worden wäre und dann Missbrauchsvorwürfe wie in diesem Fall erheben würde.
Die Nördlinger Nebenklägervertreterin Dr. Andrea Theurer sieht die Anklage als bestätigt. Das Opfer habe seinem Lehrer die Erlebnisse geschildert, dieser habe ihm geglaubt und das Jugendamt informiert. Außerdem habe die Videovernehmung die Aussagen bestätigt, auch wenn der junge Mann nur auf Nachfragen geantwortet habe. Der Psychologe glaube ihm ebenfalls und auch der Pflegevater sage, dass der Bub sich mit den Missbrauchsfällen an ihn gewandt habe – für eine Verurteilung reicht das aus ihrer Sicht aus.
Verteidiger Peter Hubel beginnt sein Plädoyer mit der Rolle einer behinderten Frau, die ihr Kind erziehen will, jedoch Steine in den Weg gelegt bekommt. Es gehe zudem um einen erbitterten Erziehungskrieg zwischen Pflegevater und Mutter. Hubel kommt zu dem Schluss, dass das Opfer seine Mutter mit der Anzeige habe „abschießen“wollen. Weil das Opfer seinen Pflegevater vergöttere, wollte es die Mutter aus dieser Beziehung endgültig ausschließen. Hubel kritisiert, dass es keine polizeiliche Vernehmung des Opfers gab. Aus Sicht der Verteidigung könne es nicht wegen schlechten Materials zu einem „Freispruch zweiter Klasse“kommen. Seine Mandantin sei von allen Freiwürfen freizusprechen.
Die Frau erscheint zum Prozessauftakt mit ihrem kleinen Kind, weil sie keine Möglichkeit für eine Betreuung während des Prozesses hatte. Ein Mitarbeiter des Jugendamts, der im Zuschauerraum sitzt, hilft bei der Suche nach einer Möglichkeit. Noch als der Richter das Urteil verkündet, bricht die Frau zusammen, wie sie selbst danach sagt, wegen „Unterzucker“. Ihr Verteidiger bezeichnet die Verhandlung als „Höllenprozess“für sie.