Angekommen in der Normalität
Fußball-Vorschau Der SC Athletik Nördlingen hat jahrelang sein Image als Spaßverein gepflegt. Vorstandsmitglied Jürgen Büttner erklärt, warum das heute nicht mehr funktioniert
Nördlingen Was haben sie nicht alles getrieben beim Sportclub Athletik Nördlingen, um ihrem Ruf als „etwas anderer Verein“gerecht zu werden. Auf dem Höhepunkt des strukturellen Vorsatzes, keinen Leistungsdruck, sondern vor allem Spaß haben zu wollen, wurde sogar eine Abteilung Tauchsport gegründet, wo auch immer die im Ries aktiv tätig werden wollte. Basketballer, Handballer und vor allem Jugendfußballer gab’s auch jede Menge, aber nichts von alledem ist bei den Athleten, wie sie sich selber gerne nennen, übrig geblieben. „Und Fußball nur zum Spaß ohne Leistungsdruck funktioniert auch nicht mehr“, sagt Jürgen Büttner, Gründungsmitglied des Vereins und einer von zwei gleichberechtigten Vorständen.
Der SC Athletik Nördlingen, gegründet 1984, verstand sich nie als reiner Sportverein, sondern wollte immer auch das mitunter als steif und langweilig empfundene gesellschaftliche Leben der Stadt ein bisschen in Schwung bringen. Die legendären Sportfeste waren stets rauschende Partys mit Livemusik und Unterhaltungen bis zum nächsten Morgen, Weihnachtsfeiern, Faschingsbälle und Maibaumfeste wurden zu Kultveranstaltungen. Geblieben ist davon lediglich die einzige große Maibaumveranstaltung der Kernstadt, die einen wichtigen Einnahmefaktor bei der Finanzierung des Sportbetriebs darstellt. Oder anders ausgedrückt: „Der etwas andere Verein ist seit einigen Jahren ganz normal geworden“, räumt Jürgen Büttner freiweg ein.
Zur Normalität gehört es auch, dass der SC Athletik wieder mal da angekommen ist, wo er laut seinen nach umjubelten Meisterschaften selbstbewusst gefertigten Transparenten („nie mehr letzte Liga“) eigentlich nicht hinwollte: in der untersten Spielklasse. Büttner kann damit durchaus leben, weit mehr Sorgen bereitet ihm vielmehr die Tatsache, dass der Verein seit dieser Saison keine einzige Nachwuchsmannschaft mehr hat. „Wenn es uns nicht gelingt, in der Saison 2019/20 von ganz unten wieder etwas aufzubauen, dann sieht es in drei, vier Jahren schlecht aus, keine Frage.“
Dabei seien nicht die fehlenden Kinder und Jugendlichen das Problem, so Büttner, sondern der Mangel an Übungsleitern, die bereit seien, Verantwortung zu übernehmen. Dabei spiele nach Meinung des Ver- einsvorsitzenden auch der veränderte Arbeitsmarkt eine Rolle: „Natürlich sprechen wir zuerst unsere aktiven Fußballer an, ob sie nicht Traineraufgaben übernehmen können. Aber die einen arbeiten Schicht, die anderen brauchen einen Nebenjob, um den Lebensstandard der Familie zu sichern. Da bleibt keine Zeit für weitere Aufgaben.“
Das Nachwuchsproblem des 250-Mitglieder-Vereins kommt zur Unzeit, denn die erste Männermannschaft und die Reserve stehen aktuell an der Tabellenspitze der B-Klasse Nord. Und nicht nur das: „Sie spielen auch einen sehenswerten Fußball mit richtig guten Spielern wie den Brüdern Massimiliano und Giuseppe Porcari oder Mike Mikschofsky, um nur einige zu nennen“, urteilt Büttner, der als durchaus kritisch seinem kickenden Personal gegenüber gilt. Große Stücke hält er auf Trainer Manuel Carlucci, der wesentlichen Anteil am Erfolg habe: „Er hat eine gute Rhetorik und erreicht die Mannschaft.“
Am kommenden Sonntag (Anpfiff 15 Uhr, Sportplatz Augsburger Straße) steht für die Athleten das Heimspiel gegen den FC Zirgesheim auf dem Programm. Der Donauwörther Vorortverein, der wie der SC Athletik auch schon mal Kreisklassenzeiten erlebt hat und 2010 in die B-Klasse abgestiegen ist, steht mit komplett ausgeglichener Bilanz (vier Siege, drei Unentschieden, vier Niederlagen/14:14 Tore) derzeit auf dem zehnten Tabellenplatz. Vor allem auswärts hat die Truppe des in der dritten Saison als Trainer beim Verein tätigen Italieners Salvatore Morelli bislang keine Bäume ausgerissen und lediglich die Partie beim FC Nordries gewonnen. Apropos Nordries: Noch kein Sportgerichtsurteil gibt es für das am 3. Oktober in der 75. Minute beim Stand von 0:3 nach „Rudelbildung“und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Spielern und Zuschauern abgebrochene Athletik-Spiel in Fremdingen. „Natürlich war das angesichts der klaren Führung unnötig“, bestätigt Büttner, aber ihm sei zugetragen worden (er selber war nicht dabei), dass nicht klar sei, wer die Tumulte ausgelöst hat. Deshalb hoffe er auf ein Wiederholungsspiel.
Ganz abhanden gekommen sei den Athleten der Spaßfaktor übrigens nicht, weiß Jürgen Büttner abschließend. Vor allem in der Abteilung Badminton, die lediglich Hobbysport betreibt, und bei den nur noch selten kickenden AH-Fußballern wird körperliches Wohlbefinden der schweißtreibenden Schinderei vorgezogen: Die regelmäßigen Treffen im „Hüttle“hinter der Alten Turnhalle sind jedenfalls unter der Bezeichnung „betreutes Essen und Trinken“in den Vereinsjargon eingegangen.