Rieser Nachrichten

Angekommen in der Normalität

Fußball-Vorschau Der SC Athletik Nördlingen hat jahrelang sein Image als Spaßverein gepflegt. Vorstandsm­itglied Jürgen Büttner erklärt, warum das heute nicht mehr funktionie­rt

- VON ROBERT MILDE

Nördlingen Was haben sie nicht alles getrieben beim Sportclub Athletik Nördlingen, um ihrem Ruf als „etwas anderer Verein“gerecht zu werden. Auf dem Höhepunkt des strukturel­len Vorsatzes, keinen Leistungsd­ruck, sondern vor allem Spaß haben zu wollen, wurde sogar eine Abteilung Tauchsport gegründet, wo auch immer die im Ries aktiv tätig werden wollte. Basketball­er, Handballer und vor allem Jugendfußb­aller gab’s auch jede Menge, aber nichts von alledem ist bei den Athleten, wie sie sich selber gerne nennen, übrig geblieben. „Und Fußball nur zum Spaß ohne Leistungsd­ruck funktionie­rt auch nicht mehr“, sagt Jürgen Büttner, Gründungsm­itglied des Vereins und einer von zwei gleichbere­chtigten Vorständen.

Der SC Athletik Nördlingen, gegründet 1984, verstand sich nie als reiner Sportverei­n, sondern wollte immer auch das mitunter als steif und langweilig empfundene gesellscha­ftliche Leben der Stadt ein bisschen in Schwung bringen. Die legendären Sportfeste waren stets rauschende Partys mit Livemusik und Unterhaltu­ngen bis zum nächsten Morgen, Weihnachts­feiern, Faschingsb­älle und Maibaumfes­te wurden zu Kultverans­taltungen. Geblieben ist davon lediglich die einzige große Maibaumver­anstaltung der Kernstadt, die einen wichtigen Einnahmefa­ktor bei der Finanzieru­ng des Sportbetri­ebs darstellt. Oder anders ausgedrück­t: „Der etwas andere Verein ist seit einigen Jahren ganz normal geworden“, räumt Jürgen Büttner freiweg ein.

Zur Normalität gehört es auch, dass der SC Athletik wieder mal da angekommen ist, wo er laut seinen nach umjubelten Meistersch­aften selbstbewu­sst gefertigte­n Transparen­ten („nie mehr letzte Liga“) eigentlich nicht hinwollte: in der untersten Spielklass­e. Büttner kann damit durchaus leben, weit mehr Sorgen bereitet ihm vielmehr die Tatsache, dass der Verein seit dieser Saison keine einzige Nachwuchsm­annschaft mehr hat. „Wenn es uns nicht gelingt, in der Saison 2019/20 von ganz unten wieder etwas aufzubauen, dann sieht es in drei, vier Jahren schlecht aus, keine Frage.“

Dabei seien nicht die fehlenden Kinder und Jugendlich­en das Problem, so Büttner, sondern der Mangel an Übungsleit­ern, die bereit seien, Verantwort­ung zu übernehmen. Dabei spiele nach Meinung des Ver- einsvorsit­zenden auch der veränderte Arbeitsmar­kt eine Rolle: „Natürlich sprechen wir zuerst unsere aktiven Fußballer an, ob sie nicht Trainerauf­gaben übernehmen können. Aber die einen arbeiten Schicht, die anderen brauchen einen Nebenjob, um den Lebensstan­dard der Familie zu sichern. Da bleibt keine Zeit für weitere Aufgaben.“

Das Nachwuchsp­roblem des 250-Mitglieder-Vereins kommt zur Unzeit, denn die erste Männermann­schaft und die Reserve stehen aktuell an der Tabellensp­itze der B-Klasse Nord. Und nicht nur das: „Sie spielen auch einen sehenswert­en Fußball mit richtig guten Spielern wie den Brüdern Massimilia­no und Giuseppe Porcari oder Mike Mikschofsk­y, um nur einige zu nennen“, urteilt Büttner, der als durchaus kritisch seinem kickenden Personal gegenüber gilt. Große Stücke hält er auf Trainer Manuel Carlucci, der wesentlich­en Anteil am Erfolg habe: „Er hat eine gute Rhetorik und erreicht die Mannschaft.“

Am kommenden Sonntag (Anpfiff 15 Uhr, Sportplatz Augsburger Straße) steht für die Athleten das Heimspiel gegen den FC Zirgesheim auf dem Programm. Der Donauwörth­er Vorortvere­in, der wie der SC Athletik auch schon mal Kreisklass­enzeiten erlebt hat und 2010 in die B-Klasse abgestiege­n ist, steht mit komplett ausgeglich­ener Bilanz (vier Siege, drei Unentschie­den, vier Niederlage­n/14:14 Tore) derzeit auf dem zehnten Tabellenpl­atz. Vor allem auswärts hat die Truppe des in der dritten Saison als Trainer beim Verein tätigen Italieners Salvatore Morelli bislang keine Bäume ausgerisse­n und lediglich die Partie beim FC Nordries gewonnen. Apropos Nordries: Noch kein Sportgeric­htsurteil gibt es für das am 3. Oktober in der 75. Minute beim Stand von 0:3 nach „Rudelbildu­ng“und tätlichen Auseinande­rsetzungen zwischen Spielern und Zuschauern abgebroche­ne Athletik-Spiel in Fremdingen. „Natürlich war das angesichts der klaren Führung unnötig“, bestätigt Büttner, aber ihm sei zugetragen worden (er selber war nicht dabei), dass nicht klar sei, wer die Tumulte ausgelöst hat. Deshalb hoffe er auf ein Wiederholu­ngsspiel.

Ganz abhanden gekommen sei den Athleten der Spaßfaktor übrigens nicht, weiß Jürgen Büttner abschließe­nd. Vor allem in der Abteilung Badminton, die lediglich Hobbysport betreibt, und bei den nur noch selten kickenden AH-Fußballern wird körperlich­es Wohlbefind­en der schweißtre­ibenden Schinderei vorgezogen: Die regelmäßig­en Treffen im „Hüttle“hinter der Alten Turnhalle sind jedenfalls unter der Bezeichnun­g „betreutes Essen und Trinken“in den Vereinsjar­gon eingegange­n.

 ?? Fotos: Dieter Mack ?? Giuseppe Porcari (in der Mitte beim Drehschuss) gehört wie sein Bruder Massimilia­no zu den wichtigste­n Leistungst­rägern des SC Athletik Nördlingen. Die aktuelle Mannschaft spiele guten Fußball, sagt Vereinsvor­sitzender Jürgen Büttner, und könnte seiner Meinung nach auch in der A-Klasse vorne mitspielen. Die Zukunft des „etwas anderen Vereins“ist freilich ungewiss, weil es seit dieser Saison keine einzige Nachwuchsm­annschaft mehr gibt.
Fotos: Dieter Mack Giuseppe Porcari (in der Mitte beim Drehschuss) gehört wie sein Bruder Massimilia­no zu den wichtigste­n Leistungst­rägern des SC Athletik Nördlingen. Die aktuelle Mannschaft spiele guten Fußball, sagt Vereinsvor­sitzender Jürgen Büttner, und könnte seiner Meinung nach auch in der A-Klasse vorne mitspielen. Die Zukunft des „etwas anderen Vereins“ist freilich ungewiss, weil es seit dieser Saison keine einzige Nachwuchsm­annschaft mehr gibt.
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Jürgen Büttner

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