Wie kam das Virus in das Blut der Patienten?
Hepatitis C Das Gesundheitsamt bestätigt, dass der ehemalige Narkosearzt in der Donauwörther Klinik ein Suchtproblem hat. Die Ermittlungen laufen und Patienten blockieren die Telefonleitungen
Donauwörth Der Narkosearzt, der in der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth angestellt war und im Verdacht steht, mehrere Patienten mit Hepatitis C angesteckt zu haben, „ist als medikamentenabhängig einzustufen“. Das hat Dr. Rainer Mainka, Leiter des Gesundheitsamts Donau-Ries, gegenüber unserer Zeitung nun offiziell bestätigt. Diese Einschätzung basiere auf Ermittlungen der Polizei und der Gesundheitsbehörde.
Der Mediziner sei in dieser Woche ins Landratsamt einbestellt und gezielt befragt worden – als Patient, so Mainka. Nach Informationen unserer Zeitung soll der Anästhesist unter psychischen Problemen leiden. Gegen diese nimmt er wohl starke Medikamente. Jetzt muss laut Mainka überprüft werden, „ob das Virus durch die Sucht verbreitet wurde.“Die Kripo vernahm im Zuge ihrer Ermittlungen am Mittwoch in der Klinik einige Mitarbeiter.
Für mögliche Infektionen kommt bekanntlich der Zeitraum zwischen dem 22. November 2016 und dem 24. April 2018 in Betracht. Hepatitis C kann grundsätzlich nur direkt von Blut zu Blut übertragen werden. Durch die normale Tätigkeit eines Narkosearztes sei dies „nicht nach- vollziehbar“, erklärt Rainer Mainka. Deshalb steht – so haben unsere Recherchen ergeben – der Verdacht im Raum, dass sich der Mediziner heim- lich aus den Beständen des Donauwörther Krankenhauses „bedient“hat. Genauer gesagt sollen es Medikamente sein, die im sogenannten „Giftschrank“verschlossen aufbewahrt werden. In einem solchen befinden sich Arzneien, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen – das sind starke Schmerzmittel und Mittel mit Suchtpotenzial. Anästhesisten verwenden diese regelmäßig in Zusammenhang mit Operationen und Narkosen.
Der unter Verdacht geratene Arzt soll sich nach Informationen unserer Zeitung bestimmte Medikamente intravenös – also per Spritze und Kanüle – verabreicht haben. Anschließend soll er – so hört man aus Ermittlerkreisen – die Behälter mit Kochsalzlösung wieder aufgefüllt haben. Außerdem hat er wohl die mit seinem Blut in Berührung gekommene Spritze oder Kanüle in irgendeiner Weise weiter verwendet.
Auf diesem Weg könnte das Virus in die Körper von mindestens fünf Patienten gelangt sein. Inzwischen hat sich Mainka zufolge eine sechste Person gemeldet, die in besagtem Zeitraum ebenfalls in Donauwörth operiert wurde und anschließend eine Hepatitis-C-Infektion hatte. Sollte der besagte Arzt bei der Operation dabeigewesen sein, bekäme die Patientin einen Brief. So werde auch bei knapp 700 weiteren Menschen verfahren, an deren OP in der Donau-Ries-Klinik der Anästhesist beteiligt war.
Die Schreiben gingen laut Mainka zu zwei Drittel am Mittwoch und zu einem Drittel am Donnerstag in die Post – und werden damit wahrscheinlich bis spätestens Samstag bei den Betroffenen eingehen. Die können sich dann an ihren Hausarzt oder die Klinik wenden und dort einen Schnelltest machen lassen, um zu klären, ob sie infiziert sind. Die Kosten dafür übernehmen die Krankenkassen. Zudem werden – wie gemeldet – rund 7500 weitere OP-Protokolle ausgewertet und darauf geprüft, ob der Narkosearzt bei diesen übernommen oder ausgeholfen hat. Sollte dies der Fall gewesen sein, bekämen auch diese Patienten einen Brief. „Das ist eine Mammutaufgabe“, erklärt der Leiter der Gesundheitsbehörde. Sie werde sicher bis nächste Woche dauern.
Gleichzeitig können sich Klinik und Landratsamt weiterhin vor Anfragen von besorgten Patienten kaum retten. Zunächst verwies das Krankenhaus die Anrufer an die Behörde weiter. Die Folge beschreibt Mainka so: „Bei uns waren alle Leitungen blockiert.“Das Amt habe nicht mehr seiner normalen Tätigkeit nachgehen können. Deshalb sei die Sache jetzt so geregelt: Mögliche Betroffene sollen sich direkt in der Klinik bei der Station melden, über welche die OP lief. Eigentlich sei eine solche Anfrage aber „gar nicht notwendig“, betont der Amtsarzt: „Die Betroffenen erfahren es sowieso.“