Ein Stück Stadtmauer verschwindet
Geschichte In Oettingen wird ein Abschnitt des historischen Bauwerks entfernt, das aus dem 13. Jahrhundert stammt. Ein Teil der Steine soll auch in Zukunft einen Nutzen haben
Oettingen Ausgegraben, denkmalrechtlich „gesichert“(will sagen: freigelegt, vermessen, dokumentiert) und dann für immer verschwunden. Im Zuge des An- und Umbaus des Kinderheimes Oettingen der Lebenshilfe Donau-Ries wurde im Areal Leder-/Sonnengasse ein imposantes Stück der ehemaligen Stadtbefestigung Oettingens durch das Harburger Archäologiebüro Woidich freigelegt.
Nach dem wie oben beschriebenen Verfahren verschwindet das historische Bauwerk dann für immer. Werner Paa, der Oettinger Hobby-Heimatforscher, spricht von einem weiteren schmerzlichen Verlust. Weiß man doch, dass die Oettinger Stadtbefestigung schon aus dem 13. Jahrhundert stammt, aber wahrscheinlich noch viel weiter bis in die Staufer- und Römerzeit zurückreicht. Da tröstet es ihn nicht unbedingt, dass er vom Bauherrn drei Steine als Anschauungsobjekt für das Geopark-Infozentrum sichern konnte und die Lebenshilfe Donau-Ries angekündigt hat, einen Großteil der restlichen Steine der Anlage im neu zu schaffenden Garten einzubauen.
weist darauf hin, dass die Befestigung als zweischaliges Mauerwerk ausgearbeitet sei, wie bei den Staufern üblich, und dass die großen Buckelquader aller Wahrscheinlichkeit nach aus Hainsfarth stammen, weil es in Oettingen ja nie derartiges Gestein gegeben habe. Und auch die „Riesenleistung“beeindruckt ihn immer noch, die seinerzeit notwendig war, um ein solches „Bollwerk“zu errichten.
So bleibt der Turm des Unteren Tores, der sogenannte Königsturm, der einzige größere Teil der Stadtbefestigung, der noch erhalten ist. Das Untergeschoss weist noch Reste des Turmes aus dem 13. Jahrhundert auf, im Inneren sind sogar noch die Zellen des einstigen Stadtgefängnisses erhalten. Heute kann man wohl nicht mehr von der „Befreiung“sprechen, welche die Bürger Oettingens empfanden, als anfangs des 19. Jahrhunderts damit begonnen wurde, die Stadtmauer „niederEr zulegen“. Den Anfang machte im Jahr 1807 die sogenannte „Hauptwache“zu Füßen des Jakobsturmes und des neuen Schlosses. Im gleichen Zug verschwand das erste Stück Stadtmauer, das das ehemalige Archivgebäude mit dem Westflügel des Schlosses verbunden hatte. So wurde zwar ein freier Platz und nach Westen ein freier Zugang zum Schlosspark gewonnen, aber auch in den Ring der Stadtmauer eben die erste Bresche geschlagen.
Danach gab es aus heutiger Sicht kein Halten mehr, das innere Mittlere Tor wurde verkauft und zum Abbruch freigegeben, damit die Bürger, wie es damals hieß, „in ihren Häusern mehr Licht und mehr Luft erhielten“. Wahrscheinlich wäre von der Stadtmauer gar nichts mehr übrig geblieben, wenn nicht König Ludwig I. mit seinem Erhaltungsbefehl von 1825 dem munteren Abbruchtreiben (und dem wohl einträglichen Verkauf als Baumaterial) ein Ende gesetzt hätte.
Aus der Sicht von Werner Paa ist dieser bayerische König der „Begründer der modernen Denkmalpflege“. Ein Grund mehr, dem noch erhaltenen archäologischen Erbe Oettingens größtmögliche Aufmerksamkeit zu schenken.