Junger Mann verletzt Frau und flüchtet
Prozess Ein 19-Jähriger zertrümmert mit einem Fußball eine Fensterscheibe. Dann rennt er weg und stößt eine Frau um, die sich den Ellenbogen bricht. Vor Gericht lügen vier Zeugen für ihn
Ein 19-Jähriger zerstörte erst eine Scheibe und rannte dann eine Frau um. Die brach sich den Arm – er lief aber weiter.
Nördlingen Es war ein ungewöhnlicher Fall und eine ungewöhnliche Verhandlung: Ein heute 19-Jähriger zertrümmert eine Fensterscheibe in der Nördlinger Polizeigasse, rennt beim Weglaufen eine Frau um, die sich dabei den Arm bricht, und lässt sie liegen. Vor Gericht laufen vier Zeugen auf, die ihn entlasten wollen, sich aber offenbar abgesprochen haben.
Im November letzten Jahres kickt der Angeklagte mit einem jüngeren Begleiter in der Altstadt. Dabei zertrümmert er eine Scheibe, beide laufen weg. Der Jüngere stößt die Passantin im Vorbeilaufen an, der Angeklagte rammt die wankende Frau, sie stürzt und bricht sich den Ellenbogen – zwei Monate lang ist sie arbeitsunfähig, fünf Monate dauert die nötige Therapie. Das sei volle Absicht gewesen, sagt sie aus, denn die Straße sei an dieser Stelle sehr breit und beide hätten ohne Weiteres an ihr vorbei laufen können. Der Angeklagte habe ihr mit voller Ab- den Rest gegeben, damit Verfolger durch sie abgelenkt seien, vermutet sie. Tatsächlich war ein Verfolger da, der als Zeuge aussagt. Eine weitere Zeugin habe ihn auf das aggressive Gebaren der Rowdys schon bei der Georgskirche aufmerksam gemacht und er sei ihnen gefolgt, habe sich schließlich um die verletzte Frau gekümmert. Staatsanwalt Andreas Kraus schreibt den Fußballern auch ein Loch in einem Kirchenfenster zu, doch dieser Anklagepunkt bleibt unklar und wird fallen gelassen.
Der Angeklagte behauptet, er habe mit dem Vorfall nichts zu tun, sondern sei zu diesem Zeitpunkt im Zimmer seiner Unterkunft gewesen, was vier Zeugen bestätigen könnten. Alle vier Zeugen, zwischen 18 und 22 Jahre alt, machen Aussagen, die sich sehr ähneln. Richter Krug erahnt eine Absprache, fühlt ihnen geschickt auf den Zahn und fragt, ob sie wüssten, was der Angeklagte an verschiedenen Tagen im November gemacht habe.
Sie können sich alle nur einen Zeitpunkt erinnern: Am Tag und zur Stunde der Tat sei er in seinem Zimmer gewesen, habe erst telefoniert, dann Karten gespielt. Krug fragt nach, wieso sie sich gerade an diesen Zeitpunkt so gut erinnern. Sie sagen alle, kurz darauf seien sie zur Polizei vorgeladen worden, darum hätten sie es sich bewusst gemerkt. Doch der Polizist, der sie vernahm, sagt, er habe sie erst sieben Monate später auf richterlichen Beschluss hin vernommen, keinen Tag früher. Bei dieser Vernehmung hätten sie sich schon in Widersprüche verstrickt, unter anderem darüber, mit wem der Angeklagte gekartelt habe. Ein Zeuge schießt schließlich den Vogel ab: Als der Richter wie bei allen Zeugen seine Vorladung unterzeichnen will, kramt der junge Mann aus einigen Blättern zwei heraus und reicht sie Krug.
Versehentlich hat er aber die Kopie seiner Aussage bei der Polizei erwischt – so etwas darf sich gar nicht in seinem Besitz befinden. Auf Nachfrage des Richters erklärt der Zeuge, er habe die Aussagenabsicht schrift vom Angeklagten bekommen.
Richter Krug verwarnt den Angeklagten nach Jugendstrafrecht wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung und vorsätzlicher Körperverletzung. Als Auflagen verhängt er vier Wochen Jugendarrest, 500 Euro Geldbuße an den Bunten Kreis und 50 Stunden gemeinnützige Arbeit. Er macht kein Hehl daraus, wie er die Tat einschätzt: „Massiver kann ich mir eine jugendtypische Verfehlung nicht vorstellen.“Und weiter: „Gut, dass wir ein solides Mauerwerk haben, sonst würde das Gerichtsgebäude wegen der verbogenen Balken einstürzen, so wurde hier gelogen.“Das bezieht er nicht nur auf die vier Belastungszeugen, sondern auch auf den Versuch der Strafverteidigerin Dr. Marianne Ganzenmüller-Seiler, das Opfer, den Zeugen, der ihr half und einer weiteren Zeugin der Unwahrheit und des Belastungseifers zu bezichtigen: „Man muss sich schon überlegen, wie man seine Verteidigung aufbaut.“