Aufklärungsversuche vor dem OP
Hepatitis C Während sich die Affäre um die Infektionen ausweitet, suchen die Verantwortlichen nach Antworten. Wie konnte sich der Narkosearzt bedienen und andere anstecken?
Donauwörth In hellgrüner OP–Kleidung stehen Landrat Stefan Rößle, gKU–Vorsitzender Jürgen Busse und der Chefarzt der Anästhesie, Dr. Ludwig Düthorn, vor den OP– Sälen des Donauwörther Krankenhauses. Sie tragen ein Haarnetz auf dem Kopf und grüne Klocks an den Füßen. Hier, im sensibelsten Bereich der Klinik, scheint etwas bisher Undenkbares geschehen zu sein. Und für die Kollegen des ehemaligen Narkosearztes, der Patienten während der Operation mit Hepatitis C infiziert haben soll, ist der Gedanke daran noch immer unfassbar. „Ich sehe kein Indiz, wie das wirklich passiert sein soll“, sagt Dr. Düthorn, der seit 2011 der Chef der Anästhesie ist und seitdem mit dem in Verdacht stehenden Arzt zusammengearbeitet hat.
An diesem Nachmittag erklärt Düthorn seinem Vorstand Jürgen Busse und seinem Verwaltungsratsvorsitzenden Stefan Rößle, wie die Abläufe bei einer Narkose sind. Da wissen sie bereits, dass bei mittlerweile 15 Patienten das HepatitisC-Virus festgestellt worden ist. Später am Tag wird ein 16. dazukommen. Und sie wissen, dass es eine weitere Briefaussendung geben wird, die rund 500 Patienten dazu aufruft, sich auf eine Infektion testen zu lassen. Denn auch bei diesen war der in Verdacht stehende Arzt am OP–Tisch gestanden – zumindest zeitweise als Vertretung.
Düthorn öffnet den Betäubungsmitteltresor, der stets verschlossen und nach gesetzlicher Vorschriften am Boden verankert im Vorbereitungsraum steht und erklärt den Weg der Glasampulle zum Patienten: Nur die leitende Anästhesiepflegekraft hat den Schlüssel am Hosenbund. Sie ist diejenige, die am Morgen die für den Operationstag notwendigen Ampullen mit Opioiden, den extrem starken Schmerzmitteln mit Suchtpotenzial, abzählt und entnimmt. Sie bereitet ein Tablett für jeden Patienten vor, auf dem sich die verschiedenen, für eine Narkose notwendigen Medikamente befinden.
Die Pflegekraft ist auch diejenige, die bei der Einleitung der Narkose das Gefäß aufbricht, die Spritze aufzieht und dem Patienten über eine feste Kanüle in die Vene spritzt. „Hier hat der Anästhesist die Spritze gar nicht in der Hand“, sagt Düthorn. „Und aus dem Betäubungsmitteltresor kann er nichts nehmen. Das fällt bei mehrfacher Zählung der Ampullen sofort auf.“
Nur dann, wenn während der Operation die verabreichte Dosis an Schmerzmittel nicht reicht, holt der Anästhesist eine neue Ampulle und zieht gegebenenfalls die Spritze selbst auf. Für Düthorn und seine
Betäubungsmittel sind im verschlossenen Tresor
Pflegekraft erwischte Arzt mit einer Spritze im Arm
Kollegen, die sich selbst den Kopf darüber zerbrechen, wie das in ihren OPs habe passieren können, die einzige Gelegenheit für einen Narkosearzt, an das Medikament heranzukommen und es sich dann irgendwie selbst zu verabreichen.
Und tatsächlich war genau das die eindeutige Situation, die den Narkosearzt im April 2018 den Job gekostet hat. Ein Pflegekraft hatte den Mann mit einer aufgezogenen Spritze im Arm während einer Operation erwischt. Düthorn reagierte sofort und zog den Mediziner aus dem OP ab. Wie bekannt, trennte man sich am Ende nach zehn gemeinsamen Jahren voneinander.
Düthorn ist erschüttert, dass die Vorfälle in seiner Abteilung haben passieren können. Dabei habe er Kontrollen eingeführt, die über die gesetzlichen Vorschriften hinaus gehen. Dazu gehöre, dass der Anästhesist jedes Medikament, das er nachträglich verabreicht, mit Namen abzeichnen muss. „Das war beim betreffenden Kollegen absolut unauffällig.“
Einzig die starken Stimmungsschwankungen des Anästhesisten hätten die Kollegen registriert. „Aber er war ein sehr beliebter und extrem sympathischer Kollege“, sagt die leitende Anästhesiepflegekraft.
Dass er gezittert habe, sei richtig, doch diese Auffälligkeit habe er bereits bei Arbeitsaufnahme im Jahr 2008 gezeigt und dafür eine andere Erklärung angeführt.