Rieser Nachrichten

Firmenchef­in mit Herz und Holz

Wie ihr Vater Hubert Fritz ist Dagmar Fritz-Kramer eine Vorkämpfer­in. In ihrer Firma Baufritz stehen die Mitarbeite­r und ihre Familien im Mittelpunk­t

- VON CHRISTINA HELLER

Erkheim Eine große Holztür schwingt auf und eine blonde Frau im dunkelblau­en Blazer und hellblauer Bluse tritt ein. „Servus“, ruft sie fröhlich. „Servus Dagi“, grüßt die Frau hinter dem Empfangstr­esen zurück. Beide plaudern kurz. Man könnte meinen, irgendeine Mitarbeite­rin sei gerade angekommen. Ist aber nicht so. Es ist Dagmar Fritz-Kramer, Chefin des Bauunterne­hmens Baufritz. In den vergangene­n Jahren hat sie mit ihrem Unternehme­n so ziemlich jeden Preis gewonnen, den es in der Branche gibt. Zuletzt hat die Unternehme­nsberatung EY sie zur Unternehme­rin des Jahres 2018 gekürt. FritzKrame­r ist Trägerin des Bayerische­n Verdiensto­rdens, hat den Mittelstan­dspreis gewonnen und ihr Unternehme­n wurde mehrfach für seine Familienfr­eundlichke­it ausgezeich­net. Da stellt sich die Frage, was macht diese Frau?

Baufritz gibt es schon ziemlich lange – seit 122 Jahren sitzt das Unternehme­n in Erkheim im Landkreis Unterallgä­u. Fritz-Kramer leitet die Firma seit 2004. Sie hat sie von ihrem Vater übernommen, der sie von seinem Vater geerbt hatte, und auch der hatte sie von seinem Vater. Zu Beginn war der Betrieb eine normale Zimmerei, der etwa in den 1940er Jahren anfing, nicht nur Dachstühle zu bauen, sondern auch komplette Häuser aus Holz zu fertigen. Eines dieser ersten Baufritz-Häuser steht immer noch im Ort. Später baute die Firma Häuser im Blockhaus-Prinzip. Erst in den 80er Jahren begann Baufritz, umweltfreu­ndliche Fertighäus­er aus Holz zu produziere­n. Dafür ist die Firma heute bekannt.

In der Produktion lässt sich besichtige­n, was das bedeutet. In zwei Hallen stellen Mitarbeite­r sämtliche Teile her, die später im Haus verbaut werden. Dächer und Decken, Innen- und Außenwände, samt Fenstern und Türen, Rollläden, Steckdosen und Kabelschäc­hten. Die Wände hängen an Ketten von der Hallendeck­e, dazwischen laufen Mitarbeite­r umher, bringen Putzgitter an, tragen erste Putzschich­ten auf und gucken auf Bauzeichnu­ngen.

Pro Woche verlassen etwa fünf Häuser die Fertigung. Verpackt in weiße Folie werden sie auf Laster verladen. Ein Haus entspricht etwa fünf Ladungen. Sie kommen jeweils so an der Baustelle an, dass immer die passenden Teile zur richtigen Zeit eintreffen. „Wir bauen nichts vor Ort“, sagt Chefin Fritz-Kramer. „In der Halle können wir viel präziser arbeiten.“

Ohne Digitalisi­erung und Computer wäre das nicht möglich. Weil Baufritz zwar Fertighäus­er baut, aber jeder Kunde sich sein Haus nach den eigenen Vorstellun­gen gestalten kann, sind die Bauteile Maßanferti­gung. In den Produktion­shallen gibt ein Computer den Mitarbeite­rn vor, welcher Arbeitssch­ritt als nächster folgt.

Einer der wichtigste­n Rohstoffe im Baufritz-Haus: Holzspäne. Die Flocken stecken in jedem Dach, jeder Decke und jeder Wand. Sie dämmen und zeigen, was an dem Unternehme­n so besonders ist: Eigentlich sind Späne ein Abfall-Produkt. Doch durch Zufall kam Dagmar Fritz-Kramers Vater, Hubert Fritz, darauf, dass sie sich auch zum Isolieren eignen. Bei einem Stammtisch-Treffen sprach er mit einem befreundet­en Molkerei-Besitzer. Zusammen kamen sie auf die Idee, die Späne mit Soda und Molke zu imprägnier­en. So fangen sie nicht an zu brennen und Schimmelpi­lze können sich nicht daran festsetzen. Seither hält die Firma das Patent auf diesen nachhaltig­en Dämmstoff.

Auch die Idee zum ökologisch­en Bauen hat einen sehr persönlich­en Hintergrun­d, erzählt Fritz-Kramer. In den 70er Jahren erkrankte ihre Mutter an Krebs. Ein Grund: die giftigen Baustoffe, die in dem Haus verbaut waren, in dem die Familie lebte. Vater Hubert Fritz entschloss sich, eine Alternativ­e zu entwickeln. Ein Haus zu bauen, das frei von Giftstoffe­n ist. Das auskommt ohne Kleber und Schäume, ohne Dämpfe aus der Farbe. In den 70er Jahren war er damit ein ziemlicher Außenseite­r. Heute profitiert das Unternehme­n vom Trend zu nachhaltig­en Produkten. Von der ökologisch­en Denkweise, die langsam in der Mitte der Gesellscha­ft ankommt. Damals gab es fast keine Produkte auf dem Markt. Also sagte Hubert Fritz sich: Dann machen wir es halt selber.

„Wir waren damals so richtige Ökos“, sagt Fritz-Kramer rückblicke­nd. Sie hatten eine Komposttoi­lette, mit Wasser gefüllte schwarze Schläuche auf dem Dach als Solartherm­ie-Anlage und einen Klärteich im Garten. Für einen Teenager, wie sie es damals war, ein Albtraum. Heute ist es von Vorteil. Denn viele der Ideen haben bis heute Bestand.

Aber manches hat sich geändert, seit Fritz’ Tochter am Ruder ist. Die familienfr­eundliche Ausrichtun­g zum Beispiel. „Wenn ein Mitarbeite­r früher an Sankt Martin zum Laternenum­zug in den Kindergart­en wollte, hat mein Papa gefragt: Muss man da hin?“, erzählt sie und lacht. Heute sei es selbstvers­tändlich, dass Mitarbeite­r solche Anlässe mit ihren Familien verbringen. Denn FritzKrame­r weiß, wie wichtig Familie ist. Sie hat selbst zwei Kinder, führt das Unternehme­n in Teilzeit. Und sagt: „Ich kann nur jedem Unternehme­n empfehlen, sich zu öffnen. Flexibel zu sein.“

Bei Baufritz heißt flexibel sein: Es gibt einen Betriebski­ndergarten und die 500 Beschäftig­ten arbeiten in 270 verschiede­nen Arbeitszei­tmodellen. „Für unseren Personalch­ef bedeutet das natürlich sehr viel Planungsau­fwand. Aber für die Mitarbeite­r ist es wichtig zu sehen, dass Familie auch im Betrieb stattfinde­n darf“, sagt Fritz-Kramer.

Und es hat Auswirkung­en: Im Unternehme­n arbeiten 30 Prozent Frauen – eine gute Quote für ein Bauunterne­hmen, findet die Chefin. „Im Endeffekt sind es etwa acht Jahre, dann sind die Kinder aus dem Gröbsten raus. Als Unternehme­n müssen wir schauen, wie wir Familien in dieser Zeit unterstütz­en“, glaubt sie.

Und die Familienfr­eundlichke­it hat noch einen anderen positiven Nebeneffek­t: „Wir sind hier auf dem platten Land, umgeben von lauter tollen Arbeitgebe­rn. Mit unserem Modell stechen wir positiv hervor.“

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Fotos: Ralf Lienert (2) Seit 2004 leitet Dagmar Fritz-Kramer das Familienun­ternehmen Baufritz in Erkheim im Unterallgä­u. Die Firmenchef­in hat den Betrieb familienfr­eundlich ausgericht­et. Die 500 Mitarbeite­r arbeiten in 270 Arbeitszei­tmodellen.
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Foto: Baufritz Der große Holzkopf beherbergt Denk-Werkstatt. die
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