Kritik am Diesel-Kompromiss
Hilft der Deal zwischen Minister Scheuer und der Autobranche, die Unsicherheit bei Dieselfahrern zu beenden? Zweifel gibt es nach wie vor. Zumal auch nach der Hardware-Einigung Gerichte Druck machen könnten
Berlin Der große Wurf für Millionen Autofahrer mit alten Dieseln sollte es werden. Heraus kam ein komplexer, für Kritiker unschlüssig wirkender Formelkompromiss mit der mächtigen Industrie. Bis zu 3000 Euro schießen einige Autokonzerne – nach Monaten des Feilschens mit der Politik – den Kunden zu, wenn diese aus Furcht vor weiteren Fahrverboten ihren in die Jahre gekommenen Dieselwagen an der Abgastechnik nachrüsten lassen. So weit, so gut. Aber es ist eine Einigung mit offenen Fragen und Hintertürchen. Zudem machen nicht alle Hersteller gleichermaßen mit. Und vieles greift erst recht spät.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hatte am Donnerstag denn auch sichtlich Mühe, das lange erwartete Hardware-Paket als Durchbruch zu verkaufen. In Köln hatte gerade das nächste Verwaltungsgericht einer Großstadt Einfuhrverbote für zu dreckige Diesel ab 2019 verhängt. Zwar sagten die deutschen Autobauer dem CSU-Politiker nun zu, bei den Maßnahmen für bessere Luft nachzulegen. Finanzielle Zusatzangebote sind allerdings noch die verständlichste Botschaft. Besonders bei den Hardware-Nachrüstungen wird es knifflig bis nahezu unüberschaubar.
Viele Beobachter waren zunächst ratlos, was genau Scheuer da nach über fünfstündigen Verhandlungen mit den Managern erzählte. Im Kern geht es bei dem jetzt erzielten Kompromiss zu Hardware-Nachrüstungen um eine „3000-EuroFormel“, die jedoch in der Zukunft liegt. Wenn irgendwann solche Umrüst-Sätze auf dem Markt sind und die technischen sowie rechtlichen Vorgaben für sie vorliegen, sollen Kunden von VW und Daimler einen Zuschuss erhalten – sofern sie nachrüsten wollen.
In diesem Fall beteiligen sich Volkswagen und Daimler mit höchstens 3000 Euro pro Fahrzeug – aber nur in 15 sogenannten Intensivstädten, in denen die Luft am schlechtesten ist. Diese Kostensumme hatten auch Experten geschätzt. Zuvor hatten die Autobauer 2400 Euro angeboten.
Daimler betonte, die Nachrüstung müsse nachweislich dazu berechtigen, auch in Straßen mit Verboten einzufahren. Von VW folgte die Ansage: „Hardware-Umrüstungen wird der Volkswagen-Konzern nicht anbieten und Fahrzeughaltern auch nicht empfehlen.“Den Einbau müssen also externe Firmen übernehmen. BMW lehnt HardwareNachrüstungen komplett ab. Man will betroffene Fahrer nach dem Auslaufen der „Umtauschprämien“aber ebenfalls mit 3000 Euro unterstützen – etwa für einen Neukauf.
Die Branche hat sich mit Händen und Füßen gegen Umbauten an Motor und Abgasanlage gewehrt. Sie tut es im Prinzip auch nach dem Kompromiss noch. Argument: Nachrüstungen mit Harnstoff/SCRKatalysatoren seien zu aufwendig, zu teuer, erhöhten den Verbrauch. Weil aber der öffentliche Druck angesichts immer neuer Fahrverbote stieg, gab die Industrie zähneknirschend nach – verbunden mit etlichen Aber.
Es dauerte nicht lange, bis Kritik am Diesel-Deal einsetzte. Die finanzielle Förderung der Nachrüstung sei grundsätzlich richtig und überfällig, so der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe. Doch das Jahr 2020 sei zu spät, die Beschränkung auf 15 Städte reiche nicht aus. Damit werde „die bisher verfolgte Strategie des Aussitzens einer schnell realisierbaren Nachrüstregelung fortgesetzt“.
Ähnlich sieht das Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). „Das kann keine zwei Jahre dauern“, sagte sie. Scheuer hatte den Vorwurf einer zu langsamen Nachrüstung zuvor zurückgewiesen. „Wir machen jetzt die technischen und rechtlichen Vorschriften, dann werden die Anbieter diese Teile entwickeln, und wir wollen die dann genehmigen“, betonte er im All das sei aber technisch schwierig. GrünenFraktionschef Anton Hofreiter sprach von Augenwischerei: „Das Tricksen geht ungeniert weiter. Minister Scheuer und die Konzernbosse wollen den betrogenen Dieselbesitzern Neuwagen andrehen und verweigern ihnen die Nachrüstung um weitere Jahre.“
ZDF.