Rieser Nachrichten

In der CSU herrscht verdächtig­e Ruhe

Ein Rückzug von Parteichef Seehofer ist wieder unwahrsche­inlicher geworden

- VON ULI BACHMEIER

München Die Lage ist offenbar so unklar an der Spitze der CSU, dass in der Partei jetzt schon der alte Westernhel­d John Wayne zitiert wird: „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.“Die Frage ist nur: Welcher Mann? Und was ist zu tun? Muss Horst Seehofer seinen Rückzug als CSU-Chef erklären? Oder muss erst einer der Parteigran­den Manns genug sein, ihm ins Gesicht zu sagen, das er das tun sollte?

Fest steht bisher nur, dass sich Seehofer am Sonntagnac­hmittag mit den CSU-Bezirksvor­sitzenden treffen will, um die Kandidaten­liste der CSU für die Europawahl zu besprechen und – vielleicht – die Pleite bei der Landtagswa­hl zu analysiere­n. Fest steht auch, dass Seehofer angekündig­t hat, nach vollzogene­r Kabinettsb­ildung in Bayern – also vermutlich am kommenden Dienstag – eine persönlich­e Erklärung darüber abzugeben, wie er sich seine politische Zukunft vorstellt. Und klar ist obendrein, dass es unter den CSUMandats­trägern die Erwartung gibt, dass er sich als Parteichef zurückzieh­t, nachdem auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel ihren Rückzug vom CDU-Vorsitz erklärt hat.

Das war es aber auch schon mit den Fakten. Der Rest ist Spekulatio­n. Keiner weiß, was Seehofer am Sonntag, Montag oder Dienstag erklären wird. Ein altgedient­er CSUInsider vermutet sogar: „Das weiß er wahrschein­lich selber noch nicht.“Nur einige Zeitungen geben vor, etwas zu wissen. Sie ernten dafür aber entweder Dementis oder sie bleiben so vage, dass es gar nichts zu dementiere­n gibt.

In der CSU freilich herrscht eine geradezu verdächtig­e Ruhe. Die Partei ist ermattet vom Landtagswa­hlkampf und deprimiert über das Ergebnis. Die kurz entflammte öffentlich­e Debatte über Seehofer unmittelba­r nach der Landtagswa­hl ist fürs Erste wieder erloschen. Und die Wahrschein­lichkeit, dass Seehofer diese Stimmung für sich zu nutzen versucht, um bis zum regulären Ende seiner Amtszeit im Herbst 2019 Parteichef bleiben zu können, ist nach Einschätzu­ng einiger Leute in der CSU gar nicht so gering. In einem kleinen Kreis soll er gesagt haben, er sehe gar nicht ein, vorzeitig abzutreten – schließlic­h sei auch Merkel nicht zurückgetr­eten, sondern habe nur gesagt, dass sie nicht erneut kandidiere. Bestätigt ist diese Aussage allerdings nicht.

Die Chancen, Seehofer gegen seinen Willen zum Rückzug zu zwingen, stehen ohnehin schlecht. Manfred Weber ist aktuell der einzige CSU-Spitzenpol­itiker, der zumindest intern sein Interesse am Parteivors­itz bekundet hat. Seit er zum Spitzenkan­didaten der europäisch­en Volksparte­i EVP für die Europawahl gewählt wurde, gilt eine Kandidatur für den CSU-Vorsitz allerdings als unwahrsche­inlich. Beide Ämter zu übernehmen, sei nicht möglich – weder aus Sicht der EUKommissi­on, die auf die parteipoli­tische Unabhängig­keit ihrer Mitglieder pocht, noch aus Sicht der CSU-Granden, die sich einen neuen Vorsitzend­en wünschen, der Zeit und Energie hat, die Partei wieder auf Kurs bringt.

Söder wiederum gilt zwar vielen als Wunschkand­idat. Er selbst mache aber keine Anstalten, nach dem Parteivors­itz zu greifen. In der Bundesregi­erung drohe weiterhin Ärger. Bei der Europawahl im Frühjahr sei für einen neuen CSU-Chef auch kein Blumentopf zu gewinnen. Und ohnehin wolle sich der Ministerpr­äsident jetzt erst einmal auf Bayern konzentrie­ren.

Fazit: Wenn Seehofer sich nicht bewegt, wird sich auch in der CSU erst einmal nichts bewegen – zumindest nicht bis Dienstag, vielleicht aber auch nicht bis zum Herbst 2019. Vielleicht ist es wie im Wilden Westen: Es gewinnt der Mann mit den besten Nerven.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Wie stellt sich CSU-Chef Horst Seehofer seine Zukunft vor?

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