Schwache Leistung
Der Trainer leistet sich einen krassen Fehler im Spiel gegen die Dortmunder
Die moderne Schulmedizin ist zu allerlei Wundervollem fähig. Die Lebenserwartung steigt und steigt. Mancherlei aber schaffen selbst die besten Pharmazeuten nicht. Eine Erkältung beispielsweise lässt sich ohne medikamentöse Behandlung innerhalb von sieben Tagen ganz gut in den Griff bekommen. Mit Arznei funktioniert es in einer Woche.
Mats Hummels litt am Samstag unter den Ausläufern eines grippalen Infekts. In der Halbzeitpause ließ er sich von den Ärzten ein Medikament geben „und es hieß, es sei alles okay“, schildert Niko Kovac die Kabinengeschehnisse. Also ließ der Trainer den Innenverteidiger weiter auf dem Feld. Schließlich hatte er ihn auch noch gefragt, ob er weiterspielen kann: „Und er sagte Ja. Sonst hätten wir ihn nicht wieder rausgeschickt.“
Man könnte auch ein Kind mit Bauchschmerzen fragen, ob es in der Süßigkeitenabteilung weiterschlemmen will.
Kovac hat die Verantwortung in einer Situation weitergeschoben, in der nur er bestimmen darf. Wer einen angeschlagenen Spieler auf dem Feld lässt und dafür einem fitten den Einsatz verweigert, handelt erfolgsgefährdend.
Später revidierte Kovac seine Meinung. Niklas Süle rückte just zu dem Zeitpunkt in die Mannschaft, als sich die Dortmunder das Spiel zu eigen machten. Es war der auffälligste Fehler Kovac’ – nicht aber der einzige. Zum wiederholten Male gelang es den Münchnern nicht, Konter und Flanken zu unterbinden. Eine Mannschaft wie die der Dortmunder lässt sich keine 90 Minuten fern vom Tor halten. Die Häufigkeit, mit der Reus und Co. vor Manuel Neuer auftauchten, hätte aber auch ein höheres Ergebnis gerechtfertigt. Warum Jérôme Boateng vor dem 2:3 auf die linke Seite auswich, statt sich Paco Alcácer in der Mitte zu stellen? Weshalb Lukasz Piszczek vor dem 2:2 ungehindert flanken konnte und Marco Reus nicht wesentlich am Abschluss gehindert wurde? Fraglich. Zu erklären mit individuellen Fehlern. Selbstverständlich ist aber auch der Trainer dafür verantwortlich, diese abzustellen.
Immerhin aber gelang es Kovac, eine Mannschaft mit einem sichtbaren Plan und mit viel Esprit und Einsatzfreude auf das Feld schicken. Das aber führt unweigerlich zur nächsten Frage: Wieso schaffte er das in den vergangenen Wochen nicht? verhältnismäßig ruhig. Er weiß um die segensreiche Wirkung eines vollen Kontos. Viel Geld bedeutet viel Qualität.
Im kommenden Sommer wird der Kader weiter umgebaut. Dann werden Arjen Robben und Franck Ribéry endgültig in den fußballerischen Ruhestand verabschiedet. Wahrscheinlich darf sich Jérôme Boateng nach einem anderen Arbeitgeber umsehen, nachdem ihm dieses Jahr die Bosse noch einen Wechsel nach Paris untersagt hatten.
Hinter den Münchnern liegt eine der erfolgreichsten Phasen der Vereinsgeschichte. Eine Ära lässt sich aber nicht beliebig verlängern. Wenn sie endet, geht es darum, schnell die nächste folgen zu lassen. Genau an diesem Punkt stecken die Bayern jetzt. Die Dortmunder können davon profitieren. Einen dauerhaften Machtwechsel aber wird es nicht geben.
Foto: afp