Herzflimmern inklusive
Stahlseilgesichert über dem Abgrund
Zum Nulltarif kann man die mit über 200 Metern zu den längsten Hängebrücken Österreichs gehörende Stahlseil-hängekonstruktion in der Tiroler Lechtalgemeinde Holzgau passieren. Dies in 105 Metern Höhe und die romantische Höhenbachtal-schlucht überquerend. Sie ist sozusagen das Herzstück des über 125 Kilometer sich erstreckenden Lech-wanderweges zwischen der Quelle des Lechs oberhalb von Lech und Füssen. Man kann aber auch von dem durch spätbarocke Hausfassaden geprägten Ort aus eine Visitation des kühnen Bauwerkes vornehmen (Beschilderung: „Hängebrückenrunde“).
Ausgangspunkt einer solchen „Expedition“ist die Holzgau überragende Dorfkirche „Maria Himmelfahrt“, die übrigens einen Bezug zu Augsburg hat: Der wohl betuchte Fuggerstädter Kaufmann Gregor Deschler erwarb in Rom die Gebeine des Heiligen Eugenius, die in der Kalixtuskatakombe bestimmt ein trauriges Dasein fristeten. 1734 machte er diese den Holzgauern zum Geschenk, wo sie seither in einem Schrein würdig ruhen. Entlang der Kirche geht der Wanderweg hoch zum Weiler Gföll, von dem aus rasch die Brücke erreicht wird. 630 Personen könnten sie – sagt der Herr Konstrukteur – gleichzeitig betreten.
Ein leichtes Schwanken beim Überschreiten gehört dazu. Und ein wenig Herzflimmern auch. Nach der geglückten Querung bietet sich ein aussichtsreicher Rückweg an. Für die Runde sollten gut zwei Stunden veranschlagt werden. Bergsteigerisch Versierte könnten einen besonderen Rückweg ins heimatliche Schwaben antreten: Über die Kemptner Hütte und das Mädelejoch sind dies stramme 20 Kilometer. 1000 Höhenmeter wollen so in sieben Stunden bewältigt werden. Seit über 350 Jahren ist dies übrigens auch die Route einer hochalpinen Wallfahrt von Holzgau aus zur Oberstdorfer Loretokirche. Selbst für größere Sünder sollte dieser lange Weg ausreichend Gelegenheit zur Buße bieten.
Heinz Münzenrieder