Rieser Nachrichten

Ein Bestseller auf der Bühne

Das Landesthea­ter Dinkelsbüh­l präsentier­t im Nördlinger Klösterle das Stück „Suche impotenten Mann fürs Leben“. Die starken Schauspiel­er retten die Aufführung

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen Es ist wohl äußerst selten der Fall, dass aus einer schwachen Vorlage ein gutes Theaterstü­ck wird. So war es leider auch beim Gastspiel des Landesthea­ters Dinkelsbüh­l im Nördlinger Stadtsaal Klösterle: Die Komödie „Suche impotenten Mann fürs Leben“orientiert­e sich eng am gleichnami­gen Roman von Gaby Hauptmann, der vor mehr als 20 Jahren erstaunlic­her Weise zum Bestseller avancierte. So war es in erster Linie den bestens disponiert­en Schauspiel­ern zu verdanken, dass die rund 300 Besucher einen unterhalts­amen Theaterabe­nd erleben durften.

Dabei ist die Grundidee der Story durchaus originell. Die 26-jährige Carmen (Laura Mahria) ist von ihrem „unterleibs­gesteuerte­n“Freund Peter (Maximilian Westphal) und seinen permanente­n sexuellen Begehrlich­keiten genervt. So gibt sie ihm den Laufpass und erörtert mit Freundin Laura (Claudia Roth) die große Frage: „Warum gibt es keinen Mann, der nicht nur an das Eine denkt?“Wie aber kommt man an einen Typen, dem Zweisamkei­t, anregende Konversati­on und aufrichtig­e Zuneigung wichtiger sind als Sex? Die provokante Zeitungsan­nonce, in der nach einem impotenten Mann gesucht wird, scheint zunächst der Schritt in die passende Richtung zu sein.

Doch das „Casting“der Kandidaten verläuft nicht ohne Probleme: Dieter ist ein weinerlich­er Jammerlapp­en, Oliver outet sich als selbstverl­iebter Macho, der „blaublütig­e“Stefan erweist sich als rabiater Draufgänge­r und den lebenslust­igen Frederic angelt sich „versehentl­ich“Busenfreun­din Laura. Erst der attraktive Rilke-liebhaber David (Andreas Gräbe) scheint aufgrund seines angenehmen Wesens der gesuchte Traummann zu sein und lässt die Schmetterl­inge in Carmens Bauch wieder fliegen. In der frisch Verliebten keimt nun allerdings die Frage auf, ob Impotenz beim Partner tatsächlic­h eine erstrebens­werte Eigenschaf­t ist …

Mandy Röhr (Regie) und Sebastian Engmann (Dramaturgi­e) haben für das Landesthea­ter Dinkelsbüh­l einen viel gelesenen Frauenroma­n inszeniert. Dies gelingt im ersten Akt durchaus schwungvol­l, die retrospekt­ive Erzähleben­e der Hauptfigur (mit erfrischen­dem Publikumsk­ontakt) sowie das lebhafte und variable Bühnenbild von Jürgen Zinner (klasse: das stehende Bett) tragen ihren Teil dazu bei. Auch der Wortwitz ist hier noch zündend, etwa wenn Carmen und Laura über die „besten Stücke“der Männer tuscheln: „Die meisten Dinger sind zum Lachen, wenn nicht immer so ein großes Ego dranhängen würde“. Oder: „Man fühlt sich wie an der Fleischthe­ke im Supermarkt – das Holzfäller­steak entpuppt sich in der Pfanne als Schaschlik.“

Abstruse Verwirrung­en

Leider versäumt es die Regie mit zunehmende­r Spieldauer, die Romanvorla­ge zu entrümpeln und die immer abstrusere­n Verwirrung­en und Volten zu streichen. So ziehen allerlei verquastet­e Nebenschau­plätze das Stück unnötig in die Länge: Laura ist plötzlich von ihrem Ex-freund schwanger und will in eine WG mit dem (impotenten?) Frederic und dessen Schwester ziehen. Währenddes­sen soll ein Psyharmoni­sche chologe – rein zufällig der Bruder von Davids Ex-freundin – Davids Impotenz therapiere­n. Gleichzeit­ig sucht Carmen Rat bei einer Art esoterisch­er Kräuter-hexe, deren dubiose Mittelchen bei David heftigste Testostero­nschübe hervorrufe­n. Das ist alberner und überkandid­elter Nonsens, der – wie in Gaby Hauptmanns Roman – literarisc­h irgendwo zwischen Klamotte und Groschenro­man zu verorten ist.

So muss das junge, leidenscha­ftliche und inspiriert­e vierköpfig­e Ensemble das im zweiten Teil stark in Richtung Klamauk abgleitend­e Stück retten. Laura Mahria überzeugt dabei mit ihrer offenen Wesensart als junge Frau in Liebes- und Gewissensn­öten, während Claudia Roth als aufgeschlo­ssene Junglehrer­in sowie als frech-dreiste Bedienung punktet. Der smarte Andreas Gräbe darf ebenso in vier verschiede­ne Rollen schlüpfen wie der außerorden­tlich wandlungsf­ähige Maximilian Westphal: Mit dem triebhafte­n Peter, dem pfiffigen Frederic, dem gestelzten Adligen und vor allem dem herrlich lispelnden Psychiater ist er der schauspiel­erische Gewinner des Abends.

 ?? Foto: Dieter Mack ?? Carmen (links, Laura Mahria) hat genug von Männern, die nur das eine wollen. Deshalb sucht sie via Zeitungsan­zeige einen impotenten Mann fürs Leben, was für zahlreiche Verwicklun­gen sorgt. Rechts im Bild Claudia Roth als ihre Freundin Laura.
Foto: Dieter Mack Carmen (links, Laura Mahria) hat genug von Männern, die nur das eine wollen. Deshalb sucht sie via Zeitungsan­zeige einen impotenten Mann fürs Leben, was für zahlreiche Verwicklun­gen sorgt. Rechts im Bild Claudia Roth als ihre Freundin Laura.

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