Rieser Nachrichten

Erinnerung­en einer Wirtshaust­ocher

Serie Unser Autor erzählt von dem Leben seiner Mutter, der „Wirts-Erna“, die mitten im Geschehen eines Wirtshause­s in Tuifstädt aufwuchs. Eine Geschichte über eine Zeit, in der die Gäste zur Familie gehörten

- VON MANFRED LUFF

Hinter dem südlichen Riesrand, wo das Kesseltal wohl am schönsten ist und sich das Flüsschen in unzähligen Windungen seinen Weg zur Donau sucht, liegt malerisch zwischen Wald und Wiesen der kleine Weiler Tuifstädt. Einst Sitz eines mehrfach in Urkunden genannten Ortsadels, bestand Tuifstädt seit dem Mittelalte­r aus zwei großen Höfen. Zur abgelegene­n Lage des Weilers passt sehr gut die Sage, dass Tuifstädt im Dreißigjäh­rigen Krieg verschont worden wäre, wenn nicht ein Hahn durch sein Krähen plündernde und marodieren­de Schweden herbeigelo­ckt hätte.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts kamen zu den beiden Höfen vier weitere Anwesen dazu. Heute ist Tuifstädt ein Ortsteil des Marktes Bissingen (früher Gemeinde Fronhofen), gehört kirchlich zu Untermager­bein und hat etwa 30 Einwohner. In dieser etwas weltabgesc­hiedenen Idylle betrieben meine Großeltern Friedrich und Maria Weng neben ihrer Landwirtsc­haft ein Gasthaus.

Seit mein aus Unterringi­ngen stammender Urgroßvate­r Michael Weng das Anwesen im Herbst 1907 durch Kauf erwerben konnte, ist es im Besitz der Familie.

Meine Mutter, Erna Luff geborene Weng, ist das Jüngste von sieben Kindern und hat uns und ihren Enkeln schon immer gerne von ihren Kindheitse­rinnerunge­n erzählt. Als kleine „Wirts-Erna“war sie gerne mitten im Geschehen und liebt es noch heute, möglichst viele Gäste zu bewirten.

In einem kleinen Ort wie Tuifstädt, ohne Vereine und sonstiger regelmäßig­er Gesellscha­ften gab es natürlich weniger öffentlich­e Zusammenkü­nfte als in großen Dörfern. Dennoch kehrten auch hier Stammgäste ein, wie beispielsw­eise der „Schäfbaur-Konne“und andere Nachbarn, die gelegentli­ch auch unter der Woche bis Mitternach­t „verhockten“. Häufige und gern gesehene Gäste waren auch die fürstliche­n Jäger.

Die Wirtshausb­esucher gehörten bei Familie Weng einfach dazu und Anteil am Familienle­ben. So wird erzählt, wie der alte „Hubelkaspa­r“schadenfro­h gelacht hat, als die jüngste Tochter Erna „unterwegs“war, weil man „em Wirtshaus nomml dääft“.

Im Jahreslauf gab es einige Anlässe, an die sich Erna Luff besonders gerne erinnert. So kam alljährlic­h am Karfreitag die Verwandtsc­haft, vor allem aus Rohrbach und Schaffhaus­en, nach einer Wanderung zum Michelsber­g ins Gasthaus und wurde zur Brotzeit, unter anderem mit „Schweizerk­äs“, bewirtet. Zum jährlichen Maitanz spielten ein paar Mitglieder der damals in der Gegend populären Kapelle „Jenning“. Die restlichen Musiker kamen dann oft noch von anderen Maitänzen auf dem Heimweg dazu, waren morgens um 5 Uhr mit zehn Mann komplett und spielten in Tuifstädt auf. Auch Kirchweih wurde gefeiert. Da ging es natürlich be- sonders hoch her, und Verwandte und Bekannte mussten mithelfen, um tagelang die vielen Gäste zu versorgen. Natürlich wurden auch Feinahmen ern wie Hochzeiten und sonstige Familienfe­ste ausgericht­et.

Der Betrieb eines Wirtshause­s neben der Landwirtsc­haft war ein immenser Aufwand und alle Familienmi­tglieder mussten mit anpacken.

Auch die bereits erwähnte Abgelegenh­eit Tuifstädts war nicht immer einfach. Schon den Schulweg nach Untermager­bein, teils durch den Wald und im Winter durch meterhohen Schnee, können sich heutige Kinder kaum mehr vorstellen. Doch bei Erna Luff überwiegen nach eigener Aussage die positiven Erinnerung­en.

Dass die Familie Weng „Wirtsblut“hat, beweist schon die Tatsache, dass mehrere Geschwiste­r Friedrich Wengs und deren Nachkommen Gastwirte waren. So wurden beispielsw­eise auch die Nördlinger Wirtshäuse­r „Drei Mohren“, „Schwarzes Lamm“, „Wilder Mann“und „Goldener Schlüssel“von Mitglieder­n der Familie Weng betrieben.

In Tuifstädt gibt es seit über fünfzig Jahren kein Gasthaus mehr. Heute betreibt die vierte und fünfte Generation der Familie Weng auf dem Hof Landwirtsc­haft mit Milchviehh­altung.

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Repros: Luff Bei der Kirchweih in Tuifstädt feierte um 1960 das ganze Dorf.
 ??  ?? Familie Weng im Jahr 1957. Vorne Friedrich und Maria Weng mit Konfirmand Bernhard und der jüngsten Tochter Erna. Hinten (von links) Frieda, Friedrich (der Hoferbe), Hermann, Konrad und Luise.
Familie Weng im Jahr 1957. Vorne Friedrich und Maria Weng mit Konfirmand Bernhard und der jüngsten Tochter Erna. Hinten (von links) Frieda, Friedrich (der Hoferbe), Hermann, Konrad und Luise.

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