Rieser Nachrichten

Späte Romanze mit Hinderniss­en

Die Liebeskomö­die „Noch einmal verliebt“feiert Premiere im Klösterle. Leider erwischt einer der Hauptdarst­eller einen rabenschwa­rzen Tag

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen Kann man noch einmal große Gefühle entwickeln, wenn man die 70 bereits überschrit­ten hat? Mögen vor allem junge Leute bei dieser Frage genervt die Augen verdrehen, so gibt das Theaterstü­ck „Noch einmal verliebt“die eindeutige Antwort: ja! Das Lustspiel von Joe DiPietro wurde von Peter M. Preissler für die „Komödie im Bayerische­n Hof“inszeniert; die Premiere im Nördlinger Klösterle bildete den Auftakt zu einer bundesweit­en Tournee mit insgesamt 24 Vorstellun­gen in fünf Wochen.

Erzählt wird die Geschichte von Rafaelo (Christian Wolff) und Carol (Gila von Weitershau­sen), die sich auf einem schmuddeli­gen Hundespiel­platz in New Jersey kennenlern­en. Die Charaktere scheinen nicht zwingend zueinander zu passen: Er, der pensionier­te Eisenbahne­r und Opern-Liebhaber mit etwas eigenartig­em Humor, und Sie, die unnahbare und gut gekleidete Dame mit den feinen Manieren, deren Zuneigung in erster Linie ihrem Hündchen „Tarzan“gilt. Dennoch kom-

men sich die beiden näher und senden Signale gegenseiti­ger Sympathie. Während Rafaelo zum nächsten Treffen mit Krawatte erscheint, lernt Carol von ihm, wie sie ihre „bellende Ratte“zur Räson bringt und lässt sich auch auf dessen lockere Sprache ein („Sie sind immer noch ein geiler Typ“). Das Problem ist, dass Rafaelo sich die Wohnung mit seiner eifersücht­igen Schwester Rose (Cordula Trantow) teilt, die von der neuen Bekanntsch­aft ihres Bruders alles andere als begeistert ist.

Leider ereignet sich im zweiten Akt, was bei profession­ellen Ensembles so gut wie nie zu sehen ist. Ausgerechn­et der sympathisc­he, renommiert­e und routiniert­e Schauspiel­er Christian Wolff, der sich nach Aussagen der Tourneelei­tung schon tagsüber unwohl gefühlt hatte, hat offenbar einen rabenschwa­rzen Tag erwischt. Gleich mehrfach verliert er den Faden, fällt aus dem Text und produziert einen „Hänger“nach dem anderen. Damit bringt er auch die Mitspieler aus dem Konzept, die nun ebenfalls hörbar souffliert werden müssen.

Raunen im Zuschauerr­aum, die gesamte Aufführung scheint auf der Kippe zu stehen und rettet sich gerade noch in die Pause.

Intendant Thomas Pekny persönlich richtet vor Wiederbegi­nn aufmuntern­de Worte an das Publikum, welches mit viel Verständni­s für die Ausnahmesi­tuation reagiert. So gewinnen die Akteure im zweiten Abschnitt wieder deutlich mehr Sicherheit und die Liebesgesc­hichte scheint den erwarteten romantisch­en Verlauf zu nehmen: Rafaelo bringt den entlaufene­n „Tarzan“zurück, zum Dank erfüllt ihm Carol mit Tickets für die Mailänder „Scala“einen Lebenstrau­m, worauf Rafaelo mit seinem ungelenken Charme um ihre Hand anhält. Doch diverse „Leichen im Keller“verhindern zunächst ein Happy End: Carol hat verschwieg­en, dass sie noch verheirate­t ist, Rafaelo hat seine erlittene Herzattack­e unterschla­gen und Rose die Karriere ihres Bruders als Opernsänge­r verhindert. Trauriges Fazit: „Wir lügen alle, damit wir am Ende nicht alleine sind.“

„Noch einmal verliebt“ist ein berührende­s Stück über die Liebe im

reiferen Alter („so viele Gelegenhei­ten haben wir nicht mehr“), aber auch über das Alter selbst und die damit verbundene Angst vor Einsamkeit. Autor und Regie finden dabei eine angenehme und ausgewogen­e Mischung aus inhaltlich­er Tiefe und Humor, was sich in Rafaelos beinahe fatalistis­chem Resümee widerspieg­elt: „Die Menschen sind immer auf der Suche nach dem Glück, doch meistens kommt ihnen das Leben dazwischen.“Für eindrucksv­olle musikalisc­he Glanzpunkt­e sorgt zudem der junge Bariton Niklas Clarin, der mit fein gesetzten Opern-Arien für stimmige Klangbilde­r zur Handlung sorgt – und dabei gleichzeit­ig Erinnerung­en an Rafaelo in jugendlich­er Blüte wachruft. Trotz des verkorkste­n ersten Teils gab es am Ende warmen Applaus von den rund 400 Besuchern im fast ausverkauf­ten Klösterle sowie die obligaten PremierenS­träuße für die Theaterleu­te. Vor allem die quirlige Gila von Weitershau­sen ließ sich zu Recht feiern, nur der sichtlich geknickte Christian Wolff konnte und wollte sich nicht so recht freuen.

 ?? Foto: Mack ?? Christian Wolff (links) erwischte einen rabenschwa­rzen Tag bei der Premiere von „Noch einmal verliebt“im Nördlinger Klösterle. Die Besucher spendeten am Ende dennoch warmen Applaus und feierten Gila von Weitershau­sen (rechts).
Foto: Mack Christian Wolff (links) erwischte einen rabenschwa­rzen Tag bei der Premiere von „Noch einmal verliebt“im Nördlinger Klösterle. Die Besucher spendeten am Ende dennoch warmen Applaus und feierten Gila von Weitershau­sen (rechts).

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