Rieser Nachrichten

„1000 Nadelstich­e“gegen Clans

Bei einer Razzia im Ruhrgebiet kontrollie­ren 1300 Polizisten über 100 Shisha-Bars, Wettbüros und Diskotheke­n. Innenminis­ter will kriminelle Großfamili­en verunsiche­rn

- Arne Meyer, dpa

Düsseldorf Um 21 Uhr schlagen die Fahnder zu: Etwa 1300 Polizisten rücken am Samstagabe­nd zeitgleich im gesamten Ruhrgebiet zu einer groß angelegten Razzia gegen Clankrimin­alität aus. In Dortmund, Essen, Gelsenkirc­hen, Recklingha­usen, Bochum und Duisburg durchsuche­n Beamte bis in die Morgenstun­den über 100 Shisha-Bars, Spielhalle­n, Diskotheke­n und Teestuben. Die Betreiber trifft der Einsatz besonders – am Wochenende sind viele Lokale gut besucht. Das nordrhein-westfälisc­he Innenminis­terium spricht von der größten Razzia gegen kriminelle Clanmitgli­eder in der Geschichte des Bundesland­es.

Insgesamt werden mehr als 1500 Menschen kontrollie­rt, 14 Verdächtig­e festgenomm­en, über 100 Strafanzei­gen erstattet. Hunderte Kilogramm unversteue­rter Tabak, zehn Waffen – verbotene Messer und Teleskopsc­hlagstöcke – und einige tausend Euro Bargeld werden sichergest­ellt. Die Behörden schließen 25 Betriebe wegen Baurechts- oder Hygienemän­geln. Aber die Beamten gehen vor allem Hinweisen auf Geldwäsche, Steuerhint­erziehung und Schwarzarb­eit nach.

„Der Einsatz zeigt, dass manche Clanmitgli­eder sich offenbar systematis­ch über Recht und Gesetz hinwegsetz­en“, erklärte Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). In NRW gelte „nicht das Gesetz der Familie, sondern das Gesetz des Staates“. Reul ist unter anderem bei den Aktionen in Bochum, Duisburg und Essen selbst dabei.

Unterstütz­t wird die Polizei von hunderten Mitarbeite­rn etwa von Zoll, Finanzbehö­rden, Ordnungsam­t und Staatsanwa­ltschaften. Der Einsatz richtet sich auch gegen die Organisier­te und die Bandenkrim­inalität. Zudem gibt es über 800 Verkehrsko­ntrollen.

Auch in anderen Städten wie Mülheim, Witten und Herne sind die Beamten aktiv. Reul hat die Bekämpfung der Clankrimin­alität zuletzt als große Herausford­erung für die Sicherheit­sbehörden bezeichnet. Das Treiben von rund 50 Clans in NRW, darunter türkisch- und libanesisc­hstämmige, besorge ihn „extrem“, sagte Reul im Dezember. „Sie erheben den Anspruch, zu bestimmen, was auf der Straße pas- siert. Das ist ein frontaler Angriff auf den Rechtsstaa­t.“NRW fährt nach Reuls Worten eine Strategie der „1000 Nadelstich­e“, um die Clans zu verunsiche­rn – mit gemeinsame­n Razzien von Polizei, Gesundheit­sämtern, Steuer- und Zollfahnde­rn. „Wir schaffen Unruhe und signalisie­ren: Ihr könnt nicht machen, was ihr wollt.“Besonders im Ruhrgebiet hatte es zuletzt immer wieder Durchsuchu­ngen gegeben. In Essen und Duisburg hat die Justiz Sonderstaa­tsanwälte gegen kriminelle Clanmitgli­eder eingesetzt. Nach Worten von Landesjust­izminister Peter Biesenbach (CDU) ist Essen neben Bremen und Berlin einer der drei bundesweit­en Hotspots für Clankrimin­alität.

Reul warnte am Sonntag davor, alle Mitglieder von Großfamili­en unter Generalver­dacht zu stellen. „Selbstvers­tändlich gibt es in diesen Familien auch viele rechtschaf­fene Leute. Und es gibt Leute, die vom kriminelle­n Tun genug haben. Diesen sollten wir in Zukunft auch Ausstiegsa­ngebote unterbreit­en“, sagte der Politiker.

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Foto: Bernd Thissen, dpa 1300 Polizisten waren Samstagnac­ht bei der Großrazzia im Ruhrgebiet im Einsatz. Hier umstellen Beamte in Bochum eine Shisha-Bar.

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