Rieser Nachrichten

Regierung rudert zurück

Im Koalitions­vertrag hatten CSU und Freie Wähler drei Flutpolder entlang der Donau gestrichen. Nun stellen sie diese Entscheidu­ng selbst wieder in Frage

- VON HENRY STERN

München Die schwarz-orange Staatsregi­erung stellt den im Koalitions­vertrag festgeschr­iebenen Verzicht auf drei neue Flutpolder an der Donau nach nur wenigen Wochen schon wieder infrage: „Wir werden am Polder-Konzept in Bayern festhalten“, sagte Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler) am Montag nach einer Kabinettss­itzung. Über die drei auf Drängen der Freien Wähler im Koalitions­vertrag gekippten Standorte werde – wie auch über die möglichen schwäbisch­en Polder-Standorte in Leipheim, Helmeringe­n und Neugeschüt­twörth – erst „nach Vorliegen der Ergebnisse vertiefter Untersuchu­ngen“endgültig entschiede­n, teilte die Staatskanz­lei mit.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger war in den vergangene­n Wochen in der Polder-Frage unter geraten, weil die im Koalitions­vertrag gestrichen­en Standorte in zwei Landkreise­n liegen, in denen die Freien Wähler den Landrat stellen. Den Vorwurf der „Spezlwirts­chaft“hatte Aiwanger stets entschiede­n zurückgewi­esen und dagegen auf hohe Kosten und ungeklärte Grundwasse­rprobleme verwiesen sowie die Wirksamkei­t der großen Hochwasser-Auffangbec­ken grundsätzl­ich infrage gestellt.

Zumindest im letzten Punkt widersprac­h nun auch Aiwangers Parteifreu­nd Glauber dem Freie-Wähler-Chef: Ein kürzlich fertig gestelltes Gutachten zeige, so Glauber, dass ein Polder-Konzept etwa an der Donau bei Extremhoch­wasser die Scheitelhö­he der Flutwelle um rund zehn Prozent kappen kann – bei vier Metern Flut also um rund 40 Zentimeter. Ein erweiterte­s Staustufen­Management, das Aiwanger als eine Alternativ­e zu neuen Poldern ge- nannt hatte, bringe dagegen maximal zwei Prozent – also bei vier Metern etwa acht Zentimeter. Das Polder-Gutachten soll am Dienstag auf der Internetse­ite des Landesamte­s für Umwelt veröffentl­icht werden.

„Wir wollen jeden Zentimeter erreichen, um die Bürger bestmöglic­h zu schützen“, erklärte Glauber. Vor dem Bau neuer Polder müsse aber zuerst die Auswirkung auf das Grundwasse­r „vertieft untersucht“werden. Anwohner der möglichen Polder-Standorte befürchten, dass bei einer Polder-Flutung ansteigend­es Grundwasse­r ihre Häuser überschwem­men könnte. Diese wissenscha­ftliche Überprüfun­g werde laut Glauber bis zu eineinhalb Jahre dauDruck ern. Vor allem diese Grundwasse­rUntersuch­ung erklärte Aiwanger nun zu einem Erfolg seiner Politik: „Die Debatte über den Hochwasser­schutz bewegt sich jetzt in die richtige Richtung“, teilte er am Montag mit.

Überall in Bayern beschleuni­gen möchte die neue Staatsregi­erung zudem die Herstellun­g des so genannten „Grundschut­zes“der Bevölkerun­g vor einem statistisc­h nur alle hundert Jahre auftretend­en Hochwasser – etwa durch neue Staumauern oder die Renaturier­ung von Flussufern. Effektiver Hochwasser­schutz sei auch ohne Polder möglich, glaubt Glauber. In Kooperatio­n mit den betroffene­n Kommunen soll deshalb möglichst schnell Baurecht für neue, dezentrale Projekte geschaffen werden. Auch zusätzlich­e finanziell­e Mittel des Freistaats stellte Umweltmini­ster Glauber dafür in Aussicht.

Wie wirken sich Flutungen auf das Grundwasse­r aus?

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Ein Bild vom Donau-Hochwasser 2013: Nach einem Dammbruch ragten nahe Deggendorf nur noch die Dächer der Häuser aus dem Wasser.

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