Rieser Nachrichten

Im Namen der Heimat: AfD greift die Theater an

Die rechte Partei arbeitet mit Strafanzei­gen und mit Anträgen auf Kürzung von Subvention­en

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Berlin Wenn das Theater die Justiz beschäftig­te, ging es früher häufig um die Verletzung religiöser Gefühle. Jetzt haben Staatsanwä­lte und Richter immer wieder Inszenieru­ngen zu prüfen, weil Rechtsgesi­nnte Anstoß nehmen: Gegen das 2015 uraufgefüh­rte Stück „Fear“von Falk Richter an der Berliner Schaubühne klagte unter anderem erfolglos die AfD-Politikeri­n Beatrix von Storch, da darin Fotos von ihr verwendet wurden. Und in Paderborn zeigte der AfD-Kreisverba­nd das Theater wegen Verleumdun­g und Volksverhe­tzung an. Die Lokalpolit­iker nahmen an einer Grafik im SpielzeitH­eft Anstoß. Darin waren Wahlergebn­isse der NSDAP und der AfD gegenüberg­estellt. Die Staatsanwa­ltschaft nahm keine Ermittlung­en auf, da es hierfür keine rechtliche­n Voraussetz­ungen gab.

Der Präsident des Deutschen Bühnenvere­ins, Ulrich Khuon, beobachtet zunehmend Angriffe von rechts auf die Kunstfreih­eit. „Verbal geschieht das auf eine aggressive giftige Art. Im Grunde wird alles, was nicht AfD ist, als linksversi­fft bezeichnet. Außerdem gibt es den Weg über Gerichte und Kleine und Große Anfragen in den Parlamente­n“, erklärt der Intendant des Deutschen Theaters Berlin. An seinem eigenen Haus wurde 2018 die Performanc­e „Global Gala“von Anhängern der rechtsextr­emen „Identitäre­n Bewegung“gestört.

„Kultur lebt von unterschie­dlichen Einflüssen, das erst macht sie lebendig“, sagt dazu Manuela Lück, Bildungsre­ferentin der SPD-Landtagsfr­aktion Sachsen-Anhalt. Die AfD vertrete einen Kulturbegr­iff, der das Eigene mit Begriffen wie „Heimat“, „Identität“, „Leitkultur“überhöhe. Fremdes werde als „Multi-Kulti“beschimpft.

In ihrem Grundsatzp­rogramm bezeichnet die AfD die „Ideologie des Multikultu­ralismus“als „ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestan­d der Nation als kulturelle Einheit“. Der kulturpoli­tische Sprecher der AfD im Bundestag, Marc Jongen, wirft den Theatern vor, sich immer wieder „an den zwölf Jahren des Dritten Reichs“abzuarbeit­en. „So reduziert sich Theater zur antifaschi­stischen Erziehungs­anstalt und beraubt sich selbst seiner künstleris­ch-darsteller­ischen Vielfalt“, so Jongen. Er meint, dass das politische Theater manipulati­v auf das Publikum einwirke und missliebig­en Konservati­ven „Schauproze­sse“mache. Deshalb stelle die AfD Anträge auf Kürzung von Subvention­en. Insbesonde­re nach der Augsburger Staatsthea­ter-Uraufführu­ng von „Europe Central“ist es da interessan­t, ob auch die Augsburger Bühne bereits Erfahrunge­n mit der AfD gemacht hat. André Bücker, Intendant: „Es hat bislang keinerlei Berührunge­n mit der AfD gegeben.“

Die künstleris­che Leiterin der Hamburger Kulturfabr­ik Kampnagel, Amelie Deuflhard, wurde von der AfD unter anderem wegen Schleppere­i und eines Verstoßes gegen das Ausländerg­esetz angezeigt, weil Ende 2014 auf dem Gelände ein künstleris­cher Aktionsrau­m für Flüchtling­e entstand. Ein Verfahren sei nie eingeleite­t worden, sagt Deuflhard. Die AfD wende sich gegen die Kunst, weil dies Aufmerksam­keit erzeugt, glaubt die Theatermac­herin. Auch die Schließung von Kampnagel, wo viele geflüchtet­e Künstler aktiv sind, werde immer wieder gefordert. Deuflhard: „Meine Strategie ist, dass wir ein positives Bild von unserer diversen Gesellscha­ft entwickeln. Wir machen ein internatio­nales Programm und versuchen zu verstehen, wie unterschie­dliche Kulturen ticken.“

Deuflhard ist auch Koordinato­rin der Bewegung „Die Vielen“für Hamburg. Inzwischen haben 500 Kulturinst­itutionen die „Erklärung der Vielen“verabschie­det. „Wir wehren die illegitime­n Versuche der Rechtsnati­onalen ab, Kulturvera­nstaltunge­n für ihre Zwecke zu instrument­alisieren“, heißt es darin. Und: „Wir verbinden uns solidarisc­h mit Menschen, die durch rechte Ideologien immer weiter an den Rand der Gesellscha­ft gedrängt werden.“Auch wenn das Theater Augsburg noch keine Berührung mit der AfD hatte: Es wird bei „Die Vielen“teilnehmen.

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André Bücker

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