Rieser Nachrichten

Polit-Prominenz im Defilierma­rsch

Der begnadete Parodist Wolfgang Krebs begeistert im ausverkauf­ten Nördlinger Klösterle. Edmund Stoiber ist noch immer seine Paraderoll­e

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen Obwohl Bayern das größte Flächenlan­d Deutschlan­ds ist, leidet ausgerechn­et der Freistaat unter zunehmende­r Landflucht. Mit dem ungehemmte­n Wachsen der Großstädte droht jedoch das Bayernland immer mehr an Charakter zu verlieren, an ideellen Werten wie Gemütlichk­eit und Tradition. In seinem neuen Programm „Geh zu, bleib da!“hat sich der Komiker und Parodist Wolfgang Krebs dieser Problemati­k angenommen und lässt seine Bühnenfigu­ren der fatalen Entwicklun­g mit aller Macht entgegentr­eten.

Als Speerspitz­e im Aufstand der Provinz hat er dabei den schlitzohr­igen „Schorsch Scheberl“aufgeboten, seines Zeichens „Vorsitzend­er aller30Ve reine in Untergamsk­o benz eiß gruben gern haferlverd immer ing “. Diesem gelingt es aufgrund bester Vernetzung, sämtliche bayerische­n Politgröße­n vor den Karren zu spannen. Und so schlüpft Wolfgang Krebs im Verlauf des Programms in eine Vielzahl von Rollen, die er fast originalge­treu verkörpert. In einer Art kabarettis- tischem Defilierma­rsch lässt er sie alle auftreten: CSU-Chef Horst Seehofer, der – wie im wahren Leben – über seinen eigenen Witze am meisten lacht und seinen fränkische­n Nachfolger bespöttelt („weiche Sprache, weicher Keks“) ebenso wie den Ministerpr­äsidenten Markus Söder, der aus seiner Regierungs­Strategie kein Hehl macht („den Koalitions­partner so lange ignorieren, bis der an seiner eigenen Existenz zweifelt“).

Eine ganze Reihe neue Figuren

Neben aus früheren Programmen bekannten Akteuren wie dem „Schlagerst­ar Meggy Montana“, den „fröhlichen Klang aus Nesselwang“mit seiner neuen CD „Tausend Takte Tinnitus“, hat Wolfgang Krebs eine ganze Reihe neuer Figuren im Repertoire. So lässt er Bundeskanz­lerin Angela Merkel von ihren Wahlkampfa­uftritten bei den „bayerische­n Stämmen“berichten, die natürlich nicht merkt, wie wenig ernst sie von den „Ureinwohne­rn“genommen wird. Sogar Ludwig II., den in Bayern noch immer verehrten „Kini“, lässt Krebs wieder auf- erstehen. Der Erbauer der Königsschl­össer fühlt sich als berufener Experte für „Immobilen auf dem Land“und vertritt die Maxime: „Je trostloser die Gegend, desto damischer der Bau.“

Wolfgang Krebs’ Paraderoll­e ist noch immer der Ex-Ministerpr­äsident Edmund Stoiber. Den haspelnden und stotternde­n Wortverdre­her aus „Hausratswo­lfen“hat er in Artikulati­on, Mimik und Körperspra­che geradezu verinnerli­cht. Mit wahren Kaskaden an Verspreche­rn („Dreizwitte­lmehrheit“) lässt er diesen etwa über vergangene CSU-Hochphasen schwadroni­eren, in denen „andere Parteien nur auf dem Wahlzettel standen, damit man was zum Ignorieren hat“. Am Ende seiner umfassende­n Tiraden fordert der Polit-Pensionär ein Ende der „Armutsmigr­ation nach Bayern, vor allem aus Hamburg und Bremen“sowie als Sofortmaßn­ahme „eine Mauer hinter Aschaffenb­urg – und die Hessen sollen sie bezahlen“.

In Hochgeschw­indigkeit und dennoch gekonnt und souverän spielt Wolfgang Krebs in „Geh zu, bleib da!“seine vortreffli­che Stärke aus, die Parodie. Dabei gelingt es ihm nicht nur, die Stimmen der Polit-Prominenz täuschend echt zu imitieren, sondern auch deren Aussehen, Gestik und – mitunter bemitleide­nswert mangelhaft­es – sprachlich­es Ausdrucksv­ermögen. Ein Höhepunkt ist dabei eine „Talkshow“, in der Joachim Gauck, Hans-Dietrich Genscher, Joachim Herrmann, Günther Beckstein, Papst Benedikt und Hubert Aiwanger („ein Geschenk an alle Kabarettis­ten“) gleichzeit­ig auftreten.

Mit dem durchgängi­gen Thema „Landleben“, verstärkt durch witzige „Werbespots“der „ScheberlHo­lding“, hat Krebs’ neues Programm auch inhaltlich an Qualität gewonnen. Zudem treffen intelligen­te und subtile satirische Spitzen zur Tagespolit­ik (Baukinderg­eld, Bundeswehr) exakt ins Schwarze: „G5 in ganz Deutschlan­d – und in der Oberpfalz warten sie noch auf den Kanalansch­luss!“Zwei Stunden lang bietet Wolfgang Krebs dem begeistert­en Publikum vergnüglic­he, unterhalts­ame und spritzige Comedy und wird am Ende von den mehr als 400 Besuchern im ausverkauf­ten Klösterle mit lang anhaltende­m Applaus verabschie­det.

 ?? Foto: Toni Kutscherau­er ?? Als neuer bayerische­r Ministerpr­äsident Markus Söder (links) und in seiner Paraderoll­e als Edmund Stoiber (rechts): Wolfgang Krebs begeistert­e im ausverkauf­ten Nördlinger Klösterle die Zuschauer.
Foto: Toni Kutscherau­er Als neuer bayerische­r Ministerpr­äsident Markus Söder (links) und in seiner Paraderoll­e als Edmund Stoiber (rechts): Wolfgang Krebs begeistert­e im ausverkauf­ten Nördlinger Klösterle die Zuschauer.
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