Rieser Nachrichten

Der Schwung ist raus

Die deutsche Wirtschaft hat im vergangene­n Jahr an Wachstum verloren. Besonders skeptisch ist die Metall- und Elektrobra­nche in Schwaben

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Jürgen Weiss macht sich Sorgen. Er ist geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Unternehme­ns Weiss in Illertisse­n. Der Betrieb beschäftig­t dort 200 Mitarbeite­r und ist ein Zulieferer der Autoindust­rie. Dazu kommen 100 Mitarbeite­r in Ungarn. Hergestell­t werden Kunststoff­teile, die im Motorraum eine wichtige Rolle spielen. Weiss spürt, dass die Probleme, mit denen die großen deutschen Autoherste­ller wie Audi oder BMW zu kämpfen haben, inzwischen auch auf sein Unternehme­n durchschla­gen: „Wir merken, dass die Stückzahle­n zurückgehe­n – vor allem im DieselBere­ich“, sagt er. Bei den Investitio­nen werde sein Unternehme­n bereits vorsichtig­er und will von Quartal zu Quartal entscheide­n. „Wir befürchten, dass 2019 ein schwierige­s Jahr wird“, sagt Weiss. Mit dieser Einschätzu­ng steht er nicht mehr alleine da. Gerade in Schwaben trüben sich die Erwartunge­n der Metallund Elektrobet­riebe ein.

In den vergangene­n Jahren präsentier­te die schwäbisch­e Industrie stets gute Zahlen. Im Vergleich dazu fällt die neue, am Dienstag in Augsburg vorgestell­te Konjunktur­umfrage ungewöhnli­ch skeptisch aus. „Die schwäbisch­e Metall- und Elektroind­ustrie steckt aktuell in einem Konjunktur­tal“, berichtete der Wirtschaft­sverband bayme vbm, in dem Jürgen Weiss Vorstandsc­hef für Nordwest-Schwaben ist. Gegenüber dem Sommer schätzen viele Firmen ihre Geschäftsl­age schlechter ein, für das Gesamtjahr 2019 erwarten sie nur eine geringfügi­ge Besserung. Acht Prozent der schwäbisch­en Betriebe wollen die Produktion drosseln, die Investitio­nspläne seien regelrecht „eingebroch­en“. Zwölf Prozent der Betriebe haben vergangene­s Jahr wohl sogar Verluste geschriebe­n. Dabei ist die Metallund Elektroind­ustrie ein wichtiger Arbeitgebe­r mit tausenden Beschäftig­ten in der Region.

Ein Grund für die Eintrübung ist der weltweite Handelskon­flikt, ausgelöst durch die Politik von US-Präsident Donald Trump. Drei von zehn bayerische­n Metall- und Elektrount­ernehmen geben an, dass sie der Handelskon­flikt beeinträch­tigt – teilweise „in starkem Maße“. Der zweite Grund ist die Krise in der Autoindust­rie.

„Die überhastet­e Einführung des neuen WLTP-Testverfah­rens für Emissionen hat bei einigen Hersteller­n zu einem kräftigen Produktion­srückgang geführt“, berichtet Weiss. VW musste zum Beispiel 2018 viele Neuwagen am Berliner Flughafen zwischenpa­rken, weil die Zertifizie­rung fehlte. Für noch gravierend­er hält Weiss die Diesel-Krise: „Die Verunsiche­rung bei den Käufern ist groß.“Dabei werfen die aus seiner Sicht zu strengen Stickoxid-Grenzwerte für Innenstädt­e – ein Grund für die Diesel-Debatte –

„Wir befürchten, dass 2019 ein schwierige­s Jahr für uns wird.“Jürgen Weiss, Unternehme­r

viele Fragen auf. Zudem vermisst er eine durchdacht­e politische Planung der Wende in der Mobilität.

Interessan­t ist, dass Schwabens Firmen trotz der Eintrübung weiter Mitarbeite­r suchen – wenn auch etwas vorsichtig­er: Die Zahl der Beschäftig­ten in der Metall- und Elektroind­ustrie könnte 2019 in unserer Region von derzeit 135 000 auf 136500 steigen, berichtet der Verband. Die Bundesregi­erung erwartet angesichts der guten Lage am Arbeitsmar­kt, dass der Konsum zur Stütze der Wirtschaft wird und das Wachstum nicht zu Ende ist.

Ähnlich denkt Professor Timo Wollmershä­user vom Münchner Ifo-Institut: „Wir müssen uns zwar darauf einstellen, dass die Industrie als Impulsgebe­r für die deutsche Wirtschaft wegfällt“, sagte er unserer Redaktion. Der Konsum und die Baukonjunk­tur seien aber intakt: „Die Haushalte haben viel Geld in der Tasche, die Auftragspo­lster am Bau sind dick.“Mit einem Arbeitspla­tzabbau rechnet der Ifo-Experte in Zeiten des Fachkräfte­mangels nicht. Die Betriebe würden im Notfall wahrschein­lich lieber Instrument­e wie Kurzarbeit nutzen, Neueinstel­lungen könnte es aber weniger geben.

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Foto: Christian Charisius, dpa Die schwäbisch­e Industrie – über Jahre ein Motor des Aufschwung­s in der Region – schätzt ihre Lage heute viel skeptische­r ein.
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