Lehrer werden zunehmend zu Technik-Hausmeistern
Je mehr Tablets und Computer an Schulen im Einsatz sind, desto häufiger streikt auch mal ein Gerät. Professionelle Wartung gibt es kaum
Augsburg Es kommt vor, dass Manfred Pöller vor 30 Schülern auf einem Tisch steht, weil im Klassenzimmer der Beamer spinnt. Er befestigt lockere Kabel. Er hilft, wenn ein Display-Stift nicht funktioniert. Pöller ist Lehrer für Mathematik und Physik am Augsburger Gymnasium bei St. Anna und zusätzlich ITSystembetreuer der Schule. Jede Schule hat einen solchen. Eigentlich sollte der Betreuer Lehrern helfen, digitale Medien inhaltlich sinnvoll im Unterricht einzusetzen. Doch oft hat er dafür gar keine Zeit. Je mehr Technik an den Schulen aufgefahren wird, desto mehr wird der Betreuungslehrer zum Hausmeister, den man ruft, wenn der PC wieder mal abgestürzt ist. Die wenigsten Schulen bekommen bei der Wartung der Geräte Hilfe von Profis.
Für seine Aufgaben hat der ITBetreuer ein beschränktes Kontingent: An Grundschulen sind es ein bis zwei Stunden neben seiner normalen Lehrtätigkeit. An weiterführenden Schulen kann man die Stunden nicht selten ebenfalls an einer Hand abzählen. Doch inzwischen stehen in den Räumen mehrere hundert PCs, Tablets, Dokumentenkameras und interaktive Tafeln. „An vielen Schulen übernimmt der Sys- tembetreuer rein die Rolle eines Technikers“, weiß Lehrer Pöller. „Die pädagogischen Aufgaben werden in den Hintergrund gedrängt.“Für eine professionelle Wartung seien die Lehrer gar nicht ausgebildet. „Dafür brauchen wir Unterstützung von außen. Die Wartung muss in professionelle Hände. Man sagt ja auch nicht zu einem Physiklehrer: ,Könntest du dich um die Wasserleitungen kümmern?‘“
Nach Angaben des Kultusministeriums sind in Bayern mittlerweile mehr als 11000 Klassenzimmer komplett digitalisiert – mit LehrerPC, interaktiven Großbild-Leinwänden, Audiosystem, Tablets für die Schüler. Im Koalitionsvertrag haben CSU und Freie Wähler vereinbart, 50000 digitale Klassenräume zu schaffen. Maximilian Deisenhofer, Experte für digitale Bildung bei den Landtags-Grünen, befürwortet das. „Es ist gut, wenn an Schulen endlich digitale Klassenzimmer eingerichtet werden“, sagt der schwäbische Abgeordnete. „Mehr Geräte brauchen aber auch mehr Wartung und technischen Support. Das können einzelne Lehrer neben ihren regulären Aufgaben nicht mehr leisten.“Manche Lehrer müssten sich ja bis heute überwinden, mit digitalen Hilfsmitteln zu arbeiten. Wenn dann der Beamer nicht funktioniere, gehe das „auf Kosten der Motivation“– und damit der Schüler. Er fordert professionelle Unterstützung von Fachleuten. Der Freistaat müsse externe Computer-Experten subventionieren. Deisenhofer hält solche „IT-Hausmeister“, wie er sie selbst nennt, auf Landkreisebene für sinnvoll.
Das Kultusministerium hingegen sieht sich nur pädagogisch in der Verantwortung. Für den Ausbau und die Wartung der Digitaltechnik seien zuvorderst die Sachaufwandsträger zuständig. Die Anrechnungsstunden für die Betreuungslehrer seien für organisatorische und pädagogische Arbeiten gedacht. Deisenhofer, früher Berufsschullehrer in Günzburg, hält das für eine Ausrede. Der Freistaat wälze die Verantwortung auf die Kommunen ab. Tatsächlich fühlen sich Städte und Gemeinden ziemlich alleingelassen. Kurt Gribl, Präsident des Bayerischen Städtetags und Augsburger CSU-Oberbürgermeister, schrieb bereits im August 2018 an den damaligen Kultusminister Bernd Sibler (CSU): „Die IT-Ausstattung der Schulen ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Land und Kommunen.“Wenn der Freistaat die Verantwortung für die Systemadministration allein den Sachaufwandsträgern zuweise, widerspreche das der gemeinsamen Verantwortung. Der Städtetag fordert, dass der Staat einheitlich definiert, über wie viel digitale Technik Schulen verfügen müssen. An den Investitions- und Betriebskosten solle sich der Freistaat dann dauerhaft beteiligen. Am heutigen Donnerstag wollen die Stadtspitzen ihrer Kritik in einer Pressekonferenz Nachdruck verleihen.
Der Augsburger IT-Systembetreuer Manfred Pöller hat im Vergleich zu vielen Kollegen noch Glück. Die drittgrößte Stadt in Bayern kann seiner Schule einen Service bieten, den man sonst kaum findet. Bei komplexeren technischen Problemen gibt es eine Telefonberatung – und wenn gar nichts mehr hilft, wird der Rechner abgeholt oder ein ausgebildeter Techniker kommt vorbei. Pöller könnte sich auch vorstellen, „die Schulhausmeister höher zu qualifizieren, damit sie bei einfachen Problemen mit der Technik eingreifen können“. Bis es so weit ist, wird er weiter regelmäßig selbst auf den Tisch steigen müssen.