50 Moosarten gibt es auf dem Friedhof
Gerd Höhenberger hat auf dem Nördlinger Friedhof zudem etwa 100 verschiedene Flechten gefunden. Warum die genau dort wachsen
Nördlingen Immer wieder nimmt Gerd Höhenberger seine Brille ab und schaut ganz genau hin. Er beugt sich über Bäume und Grabsteine, streicht vorsichtig über die Oberflächen, genauer: über die Moose und Flechten, die darauf wachsen. Die Pflanzen kommen häufig auf dem Nördlinger Friedhof vor, und Gerd Höhenberger kennt sich mit ihnen bestens aus. Mehr als 50 Moos- und etwa 100 Flechtenarten hat er auf dem Friedhof gefunden. Seit 30 Jahren beschäftigt sich der 78-Jährige in seiner Freizeit mit den Gewächsen und ist von ihnen noch immer begeistert.
Auch wenn beide Gewächse in der Natur in ähnlichen Bereichen vorkommen, muss zwischen ihnen unterschieden werden, sagt er. Moose seien normale Pflanzen, erklärt Höhenberger, Flechten dagegen ein eigenes kleines Ökosystem. Dieses bestehe aus einer Alge und einem Pilz, die Alge wachse im Gewebe des Pilzes. Vor allem Moose haben, dem Experten zufolge, einen hohen Nutzen als Wasserspeicher für die Natur, beide Pflanzen würden vielen Kleintieren und Insekten einen sicheren Lebensraum bieten. Neben dem Nutzen für die Natur seien empfindlichere Moosarten ein Beleg dafür, dass in der Luft wenig Schadstoffe vorhanden seien.
Ein Grund für die vielfältige Moos- und Flechtenlandschaft auf dem Friedhof seien die verschiedenen Gesteinsarten der Grabsteine, sagt Höhenberger. So siedle sich die Landkartenflechte gerne auf Granit an. Auch Suevit sei bei beiden Gewächsen sehr beliebt, sagt der Nördlinger: „Er ist porös, da können sie sich gut festhalten.“
Heiner Holl vom Nördlinger Bund Naturschutz sieht den Ort ebenfalls als guten Lebensraum für die Gewächse an: „Auf dem Friedhof gibt es viel gesunde Natur, einen alten Baumbestand, und es wird nicht mit Gift gearbeitet“, sagt Holl.
Ähnlich sieht es Gerd Höhenberger. Ihn stört allerdings, dass Angehörige die Gräber der Verstorbenen häufig intensiv reinigen, Moose und Flechten würden abgekratzt. Es dauere sehr lange, bis sie sich wieder ansiedeln würden. „Lasst sie einfach stehen, es tut nicht weh“, appelliert er an die Nördlinger.