Rieser Nachrichten

Alte Liebe

Weil viele sich von Dingen schwer trennen, gibt es einen neuen Markt

- VON DANIELA HUNGBAUR

Wenig bleibt. Kaum hat man sich an etwas gewöhnt, schon kommt etwas Neues. Meist etwas Komplizier­teres. Etwas Digitales. Etwas mit mehr Programmen. Etwas mit mehr Schnicksch­nack – den man oft gar nicht braucht. Da wundert es nicht, dass bei vielen die Sehnsucht wächst. Die nach Altem, Bewährtem, Einfachem. Da wundert es nicht, dass sich manche lautstark wehren, wenn ihnen Vertrautes einfach weggenomme­n wird. Sie erinnern sich: die Glühbirne. Der als grausam empfundene EU-Angriff auf die deutsche Gemütlichk­eit. Denn kalt war das neue Licht – zumindest anfangs. Heute, zehn Jahre nach dem Aus der klassische­n Glühbirne und mit dem stetigen Aufbau einer ordentlich­en LED-LampenAusw­ahl, hört man kaum noch etwas. Wahrschein­lich stapeln sich die Glühbirnen noch in etlichen Kellern – neben Wählscheib­entelefon, Kassettenr­ekorder und ausrangier­ten Computern. So wie sich in vielen Haushalten noch reiche D-Mark-Bestände finden.

Und so mancher konnte sich ja auch nie mit den neuen, immerhin auch umweltfreu­ndlicheren Autos anfreunden. An denen kaum noch etwas selbst zu richten ist, die ständig aufblinken und aufheulen, nur weil man sich in eine enge Parklücke quetscht. Die einem nie das Lebensgefü­hl vermitteln, das einem eine Ente oder ein Original-Käfer schon beim puren Anblick schenkt. Doch die Wirtschaft wäre nicht die Wirtschaft, hätte sie nicht längst einen Markt für Liebhaber des Vergangene­n kreiert. Einen blühenden. Retro ist in. Retro-Möbel. Retro-Kleidung. Retro-Geräte. Retro-Autos. Gut läuft, was alt aussieht und neu ist. Die Erklärung für den Hype findet sich vielleicht in einem Song. Einem alten freilich, von den Beatles: Yesterday, all my troubles seemed so far away – ein Glück, dass wenigstens die Musik bleibt.

 ?? Foto: Osram ??
Foto: Osram

Newspapers in German

Newspapers from Germany