Rieser Nachrichten

Die störrische Frau May hat komplett die Kontrolle verloren

Die Premiermin­isterin hat in ihrer Amtszeit viel falsch und nur wenig richtig gemacht. Warum sie voller Scham auf den Brexit-Trümmerhau­fen blicken muss

- VON KATRIN PRIBYL redaktion@augsburger-allgemeine.de

Das Wort historisch wird dieser Tage allzu häufig gebraucht. Bei der Beschreibu­ng des Versagens der politische­n Klasse Großbritan­niens passt es aber vorzüglich. Auf offener Bühne vollzieht sich hier das beispiello­se Brexit-Drama, choreograf­iert von der störrische­n Premiermin­isterin Theresa May, die in ihrer Amtszeit vor allem viel falsch und nur wenig richtig gemacht hat.

Die Niederlage am Dienstagab­end, als ihr Deal im Parlament abermals krachend scheiterte, reiht sich in eine Serie von Schlappen ein und hat sie irreparabe­l beschädigt. In der Politik gibt es den schönen Begriff der lahmen Ente – nichts anderes ist die Premiermin­isterin. Sie hat nicht nur den Machtkampf zwischen Regierung und Abgeordnet­en verloren, sondern auch komplett die Kontrolle.

Und das ist die gute Nachricht dieser Tage. Denn jetzt muss das Parlament übernehmen, um das Schlimmste, einen ungeordnet­en Brexit ohne Abkommen und Übergangsp­hase, zu verhindern. Allein mit dem Votum gestern Abend ist das nicht getan, eine Verlängeru­ng des Scheidungs­termins muss folgen. Dann gilt es, sich neu zu ordnen sowie überpartei­liche Mehrheiten zu finden für eine alternativ­e Form des Austritts aus der EU.

Das Land weiter zu spalten und in eine politisch desaströse Situation wie die jetzige zu manövriere­n, darf beinahe als Leistung betrachtet werden. May müsste voller Scham auf diesen Trümmerhau­fen in Westminste­r blicken, der zu einem großen Teil ihr Werk ist. Sie verfolgte jahrelang die Hinterzimm­er-Strategie, im kleinsten Zirkel und unter Ausschluss der Öffentlich­keit einen Brexit-Deal mit Brüssel zu verhandeln, ohne die wichtigste­n Akteure mit einzubezie­hen: das Parlament, die Opposition, die anderen Landesteil­e oder die Wirtschaft­swelt.

Das Partei-Wohl übertrumpf­te in der Downing Street stets das Allgemeinw­ohl. Aus Angst vor Toryintern­en Revolten wollte die Premiermin­isterin die unerbittli­chen Brexit-Hardliner in den eigenen Reihen befriedige­n, denen es jedoch in Raupe-Nimmersatt-Manier niemals genug war und sein wird – egal, zu welchen Zugeständn­issen sich die EU bereit erklären würde.

Noch bemerkensw­erter ist Mays Vorgehen im Licht der politische­n Realität, in der sie lediglich eine Minderheit­sregierung unter der Duldung der erzkonserv­ativen nordirisch­en DUP anführt. Von ihnen ließ sie sich kidnappen, vorführen und rote Linien diktieren. All ihre Fehler rächen sich nicht erst seit dieser Woche. Der Brexit hätte kaum schlechter umgesetzt werden können.

Und so ist Mays verantwort­ungsloser Regierungs­ansatz auf ganzer Linie gescheiter­t. In zwei Wochen verlässt das Königreich laut den Verträgen die Staatengem­einschaft – und auf der Insel herrscht das blanke Chaos. Niemand weiß, wie die Briten am 29. März aus der EU scheiden oder ob sie überhaupt Ende des Monats gehen, ob es Neuwahlen gibt oder ein zweites Referendum stattfinde­t. Nicht nur für Unternehme­n ist diese Ungewisshe­it ungeheuerl­ich.

Statt im Januar, nachdem sie mit ihrem Deal zum ersten Mal eine krachende Niederlage erlitten hatte, ihre Taktik zu ändern, verfolgte May stoisch weiter ihre verfehlte Strategie, spielte auf Zeit und machte leere Verspreche­n, von denen sie wusste, dass die Regierung sie nicht halten können würde – schon allein deshalb, weil die EU bereits Konzession­en gegenüber London gemacht, aber auch stets klar auf ihren Prinzipien beharrt hat.

Mittlerwei­le ist genug Schaden für die britische Bevölkerun­g entstanden, als dass eine Post-BrexitZuku­nft mit May in der Downing Street akzeptabel wäre.

Jetzt übernimmt das britische Parlament

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