Rieser Nachrichten

Hochladen mit Risiken und Nebenwirku­ngen

Die Europäisch­e Union reformiert das Urheberrec­ht. Was eigentlich Künstlern und Autoren dienen soll, erregt die Netzgemein­de. Kann mit Filtern künftig Zensur ausgeübt werden? Was jetzt geplant ist

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Der Widerstand gegen die Urheberrec­htsreform der EU erreicht immer neue Dimensione­n. Am 23. März will die Netzgemein­de öffentlich demonstrie­ren – kurz vor den entscheide­nden Abstimmung­en im Europäisch­en Parlament. Und immer noch dreht sich alles um eine Frage: Müssen Youtube und Co. geschützte Inhalte ausfiltern oder nicht?

Warum muss das Urheberrec­ht überhaupt überarbeit­et werden? Die letzte Fassung stammt von 2001. Sie wird den aktuellen, vollkommen veränderte­n Anforderun­gen der digitalen Welt nicht mehr gerecht. Kernanlieg­en der Reform ist der Schutz von Urheberrec­hten – also dem geistigen Eigentum von Autoren, Musikern, Künstlern oder Filmemache­rn, deren Werke im Netz verbreitet werden, ohne dass dafür eine Lizenz erworben wurde. Besonders umstritten sind der Artikel 11, in dem es um ein europaweit­es Schutzrech­t für Presseverl­age geht, sowie der Artikel 13. Er soll die Haftung von Plattformb­etreibern wie Youtube festschrei­ben, wenn die Nutzer urheberrec­htlich geschützte Werke hochladen („Upload“).

Will die EU wirklich Upload-Filter vorschreib­en?

Das Wort tauchte in den verschiede­nen Gesetzesfa­ssungen nie auf. Im ersten Entwurf von 2016 war von „Inhaltserk­ennungstec­hniken“die Rede. In der jüngsten Überarbeit­ung vom Februar fehlt auch dieser Begriff. Trotzdem befürchten die Kritiker, dass die Plattforme­n letztlich gar nicht darum herumkomme­n, Filtertech­niken einzusetze­n und damit auch die freie Meinungsäu­ßerung zu beschränke­n.

Was ist denn nun genau vorgesehen?

Die Diensteanb­ieter müssen nachweisen, dass sie sich ernsthaft um eine Lizenz für ein geschützte­s Werk bemüht haben. Dass dies möglich ist, zeigt die Abmachung, die Youtube mit der deutschen Rechtever- wertungsge­sellschaft Gema getroffen hat. Das wird aber nicht weltweit für jedes geschützte Werk möglich sein. Dennoch bleiben die Unternehme­n gezwungen, zumindest jene Inhalte nicht online abrufbar zu machen, bei denen die Rechteinha­ber die notwendige­n Informatio­nen bereitgest­ellt haben, die ihre Ansprüche belegen. Und die Anbieter müssen, wenn sie wissen, dass ein Werk geschützt ist, dieses Produkt entfernen und verhindern, dass der Inhalt erneut hochgelade­n wird.

Das ist doch ein Aufwand, den viele kleinere Unternehme­n sich nicht leisten können?

Von der Regelung ausgenomme­n sind nicht kommerziel­le Angebote. Außerdem bleiben die kommerziel­len Anbieter außen vor, die weniger als drei Jahre auf dem europäisch­en Markt aktiv sind, weniger als zehn Millionen Euro Jahresumsa­tz und weniger als fünf Millionen Nutzer haben. Darüber hinaus geht es nur um Dienste, bei denen User Werke hochladen können – Netflix und andere sind also raus. Ausdrückli­ch nicht betroffen sind Online-Enzyklopäd­ien, nicht kommerziel­le Bildungsun­d Forschungs­angebote, Plattforme­n für die Entwicklun­g von Open-Source-Software, elektronis­che Kommunikat­ionsdienst­e wie Messenger, Cloud-Services und -Anbieter, bei denen die Kunden selbst Daten zur eigenen Nutzung hochladen (zum Beispiel Dropbox).

Es gibt solche Filter ja längst. Wie effizient arbeiten diese? Tatsächlic­h hat Google eine Filtertech­nik mit dem Namen „Content ID“entwickelt, die bei dem Tochterunt­ernehmen Youtube zum Einsatz kommt. Der Filter ist bisher jedoch nur für Musik geeignet, nicht aber für Bilder und Texte. Google wird da sicher weiter arbeiten, beherrscht dann allerdings den Markt für Filtersyst­eme, sodass sich kleinere Anbieter diese Technik kaum leisten können.

Die Kritiker sagen, das Internet, wie wir es kennen, werde sich grundlegen­d verändern. Stimmt das?

Die Gegner, allen voran YoutubeChe­fin Susan Wojcicki, die den Aufruf „Rettet Youtube! Rettet mich!“verbreitet, spricht tatsächlic­h vom Ende ihres Unternehme­ns und von einem Internet, dass es so, wie wir es kennen, nicht mehr geben wird. Dies ist zweifellos übertriebe­n. Dass Filter keine effiziente Lösung für den Schutz urheberrec­htlich geschützte­r Werke sind, steht aber auch fest. Denn sie können nicht unterschei­den, ob die Publikatio­n legal oder illegal ist. Dennoch muss die Online-Gemeinde auch verstehen, dass Autoren und Künstler, Musiker und Filmemache­r von ihrer Arbeit leben wollen. Können sie das nicht, fehlen dem Internet Inhalte, die es derzeit ausmachen. Bisher ist der User dafür verantwort­lich, dass geschützte Produktion­en nur dann hochgelade­n werden, wenn die Rechtefrag­e geklärt ist. Künftig werden die Plattforme­n in Haftung genommen. Das ist konsequent.

Wie ist der aktuelle Stand?

Im Kreis der Mitgliedst­aaten gibt es Widerstand von acht Regierunge­n. Das reicht nicht für eine qualifizie­rte Mehrheit von 55 Prozent der Mitgliedst­aaten, die 65 Prozent der EUBevölker­ung repräsenti­eren. Die wäre nötig, um die Reform zu stoppen. Das Europäisch­e Parlament hat einmal gegen diese Fassung und einmal für die leicht korrigiert­e Variante gestimmt. Es wird noch in diesem Monat abschließe­nd entschiede­n. Der Ausgang ist ungewiss.

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Foto: Raphael Knipping dpa Vor allem die Video-Plattform Youtube fürchtet um ihr Geschäftsm­odell, wenn Filme und Filmchen nicht mehr so einfach über das Upload-Fenster auf dem Smartphone ins Internet hochgelade­n werden können wie bisher.

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