No zum No-Deal-Brexit
Das britische Parlament hat sich am Mittwoch mehrheitlich gegen einen EU-Austritt ohne Abkommen und damit ohne Übergangsphase ausgesprochen. Der Beschluss ist rechtlich aber nicht bindend. Wie es nun weitergeht
London Das Ergebnis fiel zunächst deutlich knapper aus, als Beobachter in Westminster erwartet hatten. Das britische Parlament hat sich am Mittwochabend mehrheitlich gegen einen Brexit ohne Austrittsabkommen ausgesprochen. 312 Abgeordnete wollen eine ungeordnete Scheidung in jedem Fall verhindern. 308 Parlamentarier plädierten dafür, dass die Möglichkeit eines No-DealSzenarios weiter aufrechterhalten wird. Der Beschluss ist rechtlich jedoch nicht bindend. Erst bei einem zweiten Votum über einen Austritt ohne Vertrag fiel die Mehrheit mit 43 Stimmen deutlicher aus als in der ersten Runde.
Premierministerin Theresa May verfolgte das gewohnte Schauspiel reglos von ihrem Platz in der ersten Reihe. Sie wirkte matt, entkräftet, gezeichnet. Und sammelte dann doch nochmals alle ihre Kräfte und warnte das Unterhaus, dass, wenn dieses weiterhin ihren Deal ablehne, ihr nichts anderes übrig bliebe, als um einen „langen Aufschub“des Brexits zu bitten. Sie kündigte zudem an, das Parlament ein drittes Mal über das von ihr mit Brüssel ausgehandelte Abkommen abstimmen zu lassen. Einen entsprechenden Antrag für das Votum wolle sie dem Parlament bis zum 20. März vorlegen.
Im ehrwürdigen Parlament im Westminster-Palast spielt Symbolik stets eine besondere Rolle, und so passte es für viele Beobachter ins Bild, dass die Regierungschefin gestern aufgrund gesundheitlicher Probleme zunächst schweigen musste. Ihr war die Stimme versagt, nachdem sie noch am Dienstag mehr krächzend als sprechend vor den Abgeordneten ihren mit Brüssel ausgehandelten Deal beworben hatte. Die Versuche waren vergebens: Sie erlitt abermals eine krachende Niederlage, das Abkommen fiel mit deutlicher Mehrheit durch. Stellvertretend für May übernahmen am Mittwoch dann Umweltminister Michael Gove und Handelsminister Liam Fox ihren Job am Pult des Unterhauses und verteidigten die Regierungslinie. Diese empfahl, die Option „No Deal“nur für den 29. März, dem offiziellen Austrittsdatums, abzulehnen. Wollte sie sich so ein Druckmittel bewahren für eine dritte Parlamentsabstimmung über das Abkommen?
Auch wenn der Beschluss politisches Gewicht als Handlungsanweisung für die Regierung besitzt, bleibt die Situation der Briten unverändert. Die Möglichkeit eines No-Deal-Szenarios ist auch durch die Abstimmung keineswegs vom Tisch. Sollte das Parlament weiterhin den Deal ablehnen, hilft das Votum gestern Abend nicht. Es droht eine ungeregelte Scheidung ohne Übergangsphase als Default-Optimögliche on. In zwei Wochen tritt das Königreich laut EU-Verträge aus der Staatengemeinschaft aus – außer das Parlament entscheidet sich am heutigen Donnerstag in einer weiteren Abstimmung für eine Verschiebung des Termins. Dieser müssten jedoch die 27 übrigen EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Und die betonen seit Wochen, dass sie nur einen Aufschub gewähren würden, wenn dieser einen bestimmten Zweck erfülle. Noch bleibt es ein Rätsel dies-, aber vor allem jenseits des Kanals, was ein Hinauszögern der Scheidung bringen soll. Ohnehin hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker deutlich gemacht, dass es sich lediglich um eine Verschiebung um wenige Wochen bis zum 23. Mai handeln könne. Dann beginnen die Europawahlen.
Noch kurz vor der Abstimmung hatte Schatzkanzler Philip Hammond ebenfalls eindringlich vor den Folgen einer ungeregelten Scheidung gewarnt und betont, dass durch die erneute Ablehnung des
Theresa May wirkte matt, entkräftet, gezeichnet
Warnung kurz vor der Abstimmung
Deals die für die Unternehmenswelt so schädliche Ungewissheit „weiterhin über uns hängt“. Das Unterhaus dürfe nicht zulassen, dass es so weitergehe. „Das schadet unserer Wirtschaft und unserem Stand und Ansehen in der Welt.“Am Morgen veröffentlichte die Regierung die Notfallpläne, sollte das Land tatsächlich ohne Regelungen und Übergangsphase aus der Staatengemeinschaft krachen. Ihnen zufolge will London dann auf den Großteil der Importe keine Zölle erheben, um zum einen Chaos an den Grenzen und zum anderen massive Preiserhöhungen für Verbraucher und Unternehmen zu verhindern. Für Waren, die aus der zur EU gehörenden Republik Irland nach Nordirland eingeführt werden, sollen überhaupt keine Zölle anfallen. Damit würde es keine Kontrollen in der ehemaligen Bürgerkriegsregion geben. Sollten die Produkte aber nicht für den nordirischen Markt, sondern für das restliche Königreich bestimmt sind, würden Abgaben nötig sein.