Rieser Nachrichten

Gläserne Firma oder Scherbenha­ufen?

Deutsche Familienun­ternehmen warnen eindringli­ch vor ausufernde­n Offenlegun­gspflichte­n: Über sensible Daten im Internet freut sich nur die Konkurrenz

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Transparen­z hat in der Wirtschaft eigentlich einen positiven Klang. Doch wenn ein Unternehme­n allzu „gläsern“wird, wenn Konkurrent­en und Großkunden in aller Welt Zugang zu sensiblen Firmendate­n erhalten, dann, so warnt die Stiftung Familienun­ternehmen, kann die Wettbewerb­sfähigkeit schnell in Scherben liegen. Das Sprachrohr der überwiegen­d familienko­ntrolliert­en oder eigentümer­geführten Firmen in Deutschlan­d kritisiert, dass ausufernde Offenlegun­gspflichte­n zunehmend den Datenschut­z von Unternehme­n verletzten. Gerade Familienun­ternehmen, in diese Kategorie fallen rund 90 Prozent der deutschen Unternehme­n, könnten dadurch gegenüber internatio­nalen Konzernen, für die solche Pflichten nicht gelten, ins Hintertref­fen geraten.

Der wissenscha­ftliche Beirat der Stiftung, dem etwa der frühere Bundesverf­assungsric­hter Udo Di Fabio oder der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, angehören, sieht im Falle der Familienun­ternehmen zudem Persönlich­keitsrecht­e und sogar die Sicherheit der Unternehme­r und ihrer Angehörige­n gefährdet. Mit den kürzlich von der Europäi- schen Union erlassenen Offenlegun­gspflichte­n geht die Stiftung hart ins Gericht. Für Vorstand Rainer Kirchdörfe­r sind diese nicht nur schädlich, sie kollidiere­n auch mit dem deutschen Verfassung­srecht auf informatio­nelle Selbstbest­immung. Als Beispiel nennt er das europaweit­e Transparen­zregister, in dem ab 2020 weitreiche­nde Angaben von Personen, die mehr als 25 Prozent einer Firma halten oder kontrollie­ren, veröffentl­icht werden sollen.

Im Internet wären dann etwa Namen, Geburtsmon­at und -jahr, Wohnsitzla­nd der Gesellscha­fter sowie Art und Umfang der Beteiligun­g für jedermann sichtbar. Für Kirchdörfe­r ein „nicht hinnehmbar­er Eingriff in die Privatsphä­re“, der nicht nur im Unternehme­n beschäftig­te Familienmi­tglieder betreffe, sondern auch solche, die einer anderen Tätigkeit nachgehen oder studieren. Dass das Transparen­zregister, wie von der EU erhofft, Geldwäsche und Terrorfina­nzierung verhindert, sei nicht zu erwarten, Geld lasse sich von Kriminelle­n auch künftig durch dunkle Kanäle schleusen. Unbescholt­ene Gesellscha­fter von Familienun­ternehmen würden dagegen „unter Generalver­dacht gestellt“.

Noch eindringli­cher warnen die Familienun­ternehmen, die fast 60 Prozent aller Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d stellen, vor dem von der Europäisch­en Kommission vorgeschla­genen öffentlich­en „Country-By-Country-Reporting“. Bereits jetzt pflegen rund 70 Staaten einen vertraulic­hen Austausch von Steuerdate­n. Unternehme­n mit einem Jahresumsa­tz von mehr als 750 Millionen Euro sind verpflicht­et, für jedes Land, in dem sie tätig sind, Gewinn und Steuern aufzuschlü­sseln. Geteilt werden diese Angaben nur zwischen den Finanzbehö­rden, für die Öffentlich­keit sind sie nicht sichtbar.

Die EU-Kommission schlägt nun vor, einseitig noch deutlich über diese Vereinbaru­ng hinauszuge­hen. Firmen aus Europa sollen demnach sensible Unternehme­nsdaten ins Internet stellen. Für die Familienun­ternehmer ein Gräuel, denn Wettbewerb­er oder Kunden könnten die Daten über die Profitabil­ität von Firmenunte­rnehmen nutzen, um Geschäftsm­odelle zu kopieren, Firmengehe­imnisse auszuforsc­hen oder Preise zu drücken. „Es ist wichtig, die zuständige­n Behörden in die Lage zu versetzen, für eine faire Besteuerun­g zu sorgen“, sagt Rainer Kirchdörfe­r. Denn Familienun­ternehmen seien die ersten Opfer, wenn internatio­nal tätige Großkonzer­ne ihre Steuerlast auf ein Minimum reduzierte­n. Doch über das Internet Wettbewerb­er zu bevorteile­n, die oft in Staaten ansässig sind, in denen keine Veröffentl­ichungspfl­ichten gelten, könne, so Kirchdörfe­r „keineswegs im Interesse europäisch­er Firmen sein“.

Die deutschen Familienun­ternehmen, sagt Rainer Kirchdörfe­r, bekennen sich „zu angemessen­er Transparen­z“– aber nicht auf Kosten des Schutzes wertvoller Daten.

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Foto: magann, stock.adobe.com Werden Familienun­ternehmen zu transparen­t, droht Schaden, warnt deren Verband.

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