737-Max-Serie soll am Boden bleiben
Beim Flugzeugabsturz in Afrika starben 157 Menschen. Im Verdacht steht die Steuerung. Nun hat Boeing sogar ein weltweites Startverbot empfohlen. Was über das Unglück bisher bekannt ist
Hannover Nach dem Absturz zweier baugleicher neuer Flugzeuge binnen weniger Monate gerät der US-Flugzeugbauer Boeing massiv unter Druck. Nach neuen Hinweisen zum Crash in Äthiopien dürfen die Boeing-Maschinen 737 Max nun auch in den USA nicht mehr starten. Boeing spricht dem Flugzeugtyp zwar weiter Vertrauen aus – empfiehlt aber, die Maschinen zunächst weltweit nicht mehr einzusetzen. Was bisher bekannt ist:
● Der Unfall Augenzeugen wollen gesehen haben, dass sich die Boeing vor dem Aufprall nahe der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba am Sonntag um die eigene Achse gedreht hat, andere berichten von Flammen. 157 Menschen starben. Laut der Airline meldeten die Piloten Probleme mit der Flugsteuerung. In Verdacht geriet schnell die Steuerungssoftware. Die Bilder vom Unfallort deuten darauf hin, dass sich die Maschine fast senkrecht und mit hoher Geschwindigkeit in den Boden gebohrt hat. Die Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines war auf dem Weg nach Nairobi kurz nach dem Start abgestürzt. Konkrete Hinweise auf die Ursache erhoffen sich die Ermittler durch die Auswertung von Cockpit-Stimmenrekorder und Flugdatenschreiber. Die Flugschreiber der verunglückten Boeing sollen jetzt zur Analyse nach Europa und nicht wie eigentlich üblich ins Herstellerland USA geschickt werden.
● Ähnlicher Absturz Im Oktober waren beim Absturz einer baugleichen Maschine der Fluglinie Lion Air in Indonesien 189 Menschen gestorben. Bei dem indonesischen Crash vermuten die Experten, dass eine für den Flugzeugtyp entwickelte Steuerungssoftware eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte. In den USA gab es bereits im ver- Jahr zwei dokumentierte Berichte von Piloten über Unregelmäßigkeiten, die die Crews in der kritischen Startphase überrascht haben. Das sogenannte Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) war nach dem Absturz in Indonesien schwer in die Kritik geraten. Laut Unfallermittlern drückte der Bordcomputer die Nase des Flugzeugs immer wieder nach unten, während die Crew versucht habe, sie nach oben zu steuern. Das Programm ist eine Antwort darauf, dass die Triebwerke bei der Boeing 737 Max 8 schwerer sind als bei dem Vorgängermodell. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, besteht der Verdacht, dass im Fall des LionAir-Absturzes die Piloten nicht darauf geschult waren, wie sie das System im Notfall abschalten können.
● Konsequenzen Nach neuen Erkenntnissen zum Absturz haben auch die USA ein Startverbot für alle Flugzeuge der 737-Max-Reihe erlassen. Die US-Luftfahrtbehörde FAA folgte damit am Mittwoch dem Beispiel der EU, Kanadas und zahlreicher anderer Staaten. In einer Dringlichkeits-Anordnung verfügte die FAA ein Startverbot für alle Boeing 737 Max, die in den USA fliegen oder von US-Fluglinien betrieben werden. Der US-Luftfahrtgangenen konzern Boeing empfahl am Mittwoch als Vorsichtsmaßnahme ein vorübergehendes Startverbot für alle Flugzeuge der Baureihe 737 Max weltweit. Die FAA teilte mit, Ermittler hätten neue Hinweise an der Unfallstelle gesammelt und analysiert. Diese Hinweise sowie neue Satellitendaten hätten zu der Entscheidung geführt. Sicherheit sei das wichtigste Anliegen, sagte US-Präsident Donald Trump. Maschinen, die in den USA noch in der Luft seien, müssten nach der Landung bis auf Weiteres an dem jeweiligen Flughafen verbleiben.
● Reaktionen der Passagiere Die zunächst widersprüchlichen Airlineund Behörden-Entscheidungen dürften die Verunsicherung bei Passagieren erhöht haben. Zahlreiche Annullierungen von Flügen sind in Europa jedoch unwahrscheinlich: Bei der Flotte des Tui-Konzerns etwa sind nur 15 von rund 150 Flugzeugen betroffen. Sie wurden in Großbritannien und den Beneluxländern eingesetzt, nicht in Deutschland. Der Konzern will nun andere Flugzeuge chartern.
● Boeing Der US-Luftfahrtriese kämpft gegen eine Vertrauenskrise. Von Boeing in Aussicht gestellte Updates für die Steuerungssoftware werden in den nächsten Tagen erwartet und sollen auf die Bordcomputer geladen werden. Neben drohenden Schadenersatzforderungen der Kunden kann Boeing bestellte Maschinen nur verspätet ausliefern. Betroffen ist etwa der Tui-Konzern, der die erste Maschine dieses Typs für die deutsche Tuifly diese Woche aus Seattle nach Hannover fliegen wollte. Die Boeing-Aktie sackte kräftig ab. Die auf weniger Spritverbrauch getrimmte Boeing 737 Max 8 ist eine Neuauflage der Boeing 737 und wird mit größeren Triebwerken ausgeliefert.