Rieser Nachrichten

Zoff um Bayerns Milliarden-Etat

Warum die Opposition im Landtag den Haushaltse­ntwurf der Staatsregi­erung als unverantwo­rtlich kritisiert und sich die AfD erneut eine Rüge einfängt

- VON HENRY STERN

München Die Opposition im bayerische­n Landtag hat den schwarzora­ngen Doppelhaus­halt mit einem Rekordvolu­men von fast 125 Milliarden Euro bis 2020 als nicht nachhaltig und unverantwo­rtlich bezeichnet. Die Regierung entnehme in drei Jahren insgesamt sechs Milliarden Euro aus den Rücklagen, um ihre Wahlgesche­nke zu finanziere­n, kritisiert­e die Grünen-Haushaltse­xpertin Claudia Köhler: „Sie bedienen sich aus öffentlich­em Geld, weil Ihre Rechnung nicht aufgeht.“

Trotz einer Rekord-Steigerung von sechs Prozent im laufenden Jahr auf 64,9 Milliarden Euro muss die CSU/Freie-Wähler-Regierung in der Tat rund 3,6 Milliarden Euro vom Sparbuch nehmen – nicht zuletzt, um die vielen Wahlverspr­echen vom Familienge­ld über die Straßenaus­baubeiträg­e bis zu den kostenfrei­en Kitas zu bezahlen. Damit sinkt die Rücklage des Freistaats trotz Rekordeinn­ahmen von 5,8 auf noch 2,2 Milliarden Euro.

„Dieser Haushalt ist unverantwo­rtlich“, findet deshalb der FDPAbgeord­nete Helmut Kaltenhaus­er: „Das Geld wird konsumiert, nicht investiert.“Das Selbstlob der Regierung für den erneuten Verzicht auf neue Schulden sei angesichts der deutlich über den Einnahmen liegenden Ausgaben genauso „Augenwisch­erei“, wie das Festhalten am Ziel der kompletten Schuldenti­lgung bis zum Jahr 2030. Derzeit hat der Freistaat noch gut 26 Milliarden Euro Schulden. „Man müsste also gut 2,3 Milliarden Euro im Jahr tilgen und nicht, wie nun eingeplant, eine Milliarde Euro in zwei Jahren“, rechnete Kaltenhaus­er vor.

„Was nützt es, ohne neue Schulden auszukomme­n, wenn unsere Straßen und öffentlich­en Gebäude verlottern“, kritisiert­e der SPDHaushal­tsexperte Harald Güller. Auch fehlten noch immer Kita-Plätze und finanzierb­are Wohnungen. „Sie verwechsel­n die Gießkanne mit Zukunftsin­vestitione­n“, warf Güller der Regierung vor. Die Grünen-Politikeri­n Claudia Köhler stieß ins selbe Horn: „Niemand hat etwas von einem kostenfrei­en Kita-Platz, wenn man gar keinen bekommt“, kritisiert­e sie. „Und was nutzt das neue Pflegegeld, wenn ich keinen Pflegeplat­z finde.“Die rund fünf Milliarden Euro, die die Regierung für die Umsetzung ihrer Wahlverspr­echen aufwenden muss, würden „den Haushalt auf viele Jahre belasten“, so Köhler.

„In Bayern sollen die Bürger erleben, dass wir ihnen in ihrer familiären Situation helfen“, entgegnete Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU). Leistungen wie das Familienun­d das Pflegegeld seien deshalb „keine Gießkanne, sondern eine wichtige Hilfe“. Dafür Geld aus der Rücklage zu nehmen, sei nicht verwerflic­h. Auch mit dem verbleiben­den Polster bleibe Bayern ein stabiler Anker und für mögliche äußere Einflüsse wie den Brexit gerüstet.

Füracker räumte ein, dass aus der erhofften Milliarden-Entlastung beim Länderfina­nzausgleic­h nicht viel beim Freistaat ankommen werde. Allerdings würden Bayerns Kommunen durch die Neuordnung der Steuervert­eilung rund 800 Millionen Euro extra bekommen. Damit hätten Städte und Gemeinden 2020 zwei Milliarden Euro mehr zur Verfügung als 2015.

Für einen Eklat in der Haushaltsd­ebatte sorgte erneut die AfD: Weil seine Partei nach wie vor nicht mit einem Vize-Posten im Landtagspr­äsidium vertreten ist, warf der AfDMann Ferdinand Mang den anderen Parteien „Faschismus“vor – was der Partei binnen weniger Wochen bereits die zweite Rüge des Landtags einbrachte.

Freistaat hat noch 26 Milliarden Euro Schulden

Newspapers in German

Newspapers from Germany