Rieser Nachrichten

Im Namen von Maria

2016 wurde eine Freiburger Studentin von einem Flüchtling ermordet. Statt in Wut und Trauer zu verharren, setzten ihre Eltern ein beeindruck­endes Zeichen gegen Hass

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es ist eine bewegende Stunde im hektischen Berlin, ein Zeichen der Besinnung, ein Mahnmal für Zivilcoura­ge und Mut. Friederike und Clemens Ladenburge­r sind in die Hauptstadt gekommen, um den „Bürgerprei­s der Zeitungen“entgegenzu­nehmen. Gewürdigt werden sie für ihr Verhalten in einem Fall, der bundesweit Aufsehen erregt und erbitterte Debatten ausgelöst hat: die Ermordung ihrer Tochter Maria, damals 19, durch einen afghanisch­en Flüchtling im Herbst 2016. Statt in Wut und Hass zu verharren, gründeten die Eltern die „MariaLaden­burger-Stiftung“für Studierend­e an der Universitä­t Freiburg.

Der vom Bundesverb­and deutscher Zeitungsve­rleger ins Leben gerufene Preis wird in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz vergeben. Das eher nüchterne Gebäude liegt nahe des HolocaustM­ahnmals, durchs Fenster haben die Gäste – Verleger, Offizielle, aber auch Freunde und Angehörige der Familie – einen Blick aufs Reichstags­gebäude, auf dem hektisch und wie zur Untermalun­g der tobenden Brexit-Debatte die deutsche und die europäisch­e Flagge im Sturm knattern. Draußen laut, drinnen still, so lautet die Botschaft dieser Szenerie, die auch von der Laudatorin Elke Büdenbende­r aufgegriff­en wird.

„Es sind laute Zeiten, in denen wir gerade leben“, mahnt Büdenbende­r, die ohne Pathos, aber mit viel Herzenswär­me manchen im Saal zu Tränen rührt. „Populisten übertönen allzu oft die leiseren Stimmen der Besonnenen“, stellt die Frau des Bundespräs­identen fest. Büdenbende­r hat als Richterin viel erlebt, sie hat an der Seite von Frank-Walter Steinmeier viel von den Zuständen auf dieser Welt gesehen, und sie weiß um die Sprengkraf­t, die die Ermordung einer Deutschen durch einen ausländisc­hen Asylbewerb­er entfalten kann.

Es sei viel über den Fall geredet worden, die Meinungsfr­eiheit in Deutschlan­d sei ein sehr, sehr hohes Gut, wagt sich Büdenbende­r auf schwierige­s Terrain vor in diesen Zeiten, in denen jeder nicht nur eine Meinung hat, sondern sie auch überall und ständig kundtun darf. Wie auch im Fall Maria Ladenburge­r, in dem die Familie und ihre Angehörige­n, Freunde und Zeitungsre­daktionen mit fremdenfei­ndlichem Hass überschütt­et wurden.

Heftige Reaktionen, die mit dazu beitrugen, dass sich das in Brüssel lebende Ehepaar öffentlich bislang nur in einem einzigen Interview äußerte. „Wir haben uns entschiede­n, uns nicht in die wichtige öffentlich­e Diskussion einzuschal­ten. Dabei wollen wir auch künftig bleiben“, sagt Clemens Ladenburge­r, der gleichzeit­ig eine mit Bedacht geführte Debatte anmahnt. Es dürfe nicht sein, „dass in unserer Gesellscha­ft Taten des Hasses, Taten der kaltblütig­en Verachtung, wiederum mit Hass und mit Hetze gegenüber anderen beantworte­t werden.“

Im Leben, im Licht, gebe es zum Glück andere Stimmen als den Hass, würdigt Büdenbende­r, die in ihrer Rede das Leben einer Familie nachzeichn­et, der Möglichkei­ten und Talente geschenkt worden seien, die sich aber nie darauf ausgeruht habe. Auch Maria Ladenburge­r habe diesen Geist in sich getragen, sie habe das Leben geliebt, sich engagiert und ihre besondere Fähigkeit gelebt, sich anderen Menschen zuzuwenden „und sie zu ermuntern, den Blick auf das Schöne im Leben zu richten“. Maria sei „ein Sonnensche­in“für ihre Familie und Freunde gewesen, bis „das Dunkel in das Leben der Familie Ladenburge­r“eingetrete­n sei, sagt Büdenbende­r. Ein Dunkel, dem die Familie mit ihrer Stiftung trotze. „Weil sie Marias Licht in ihrer Stiftung weiterleuc­hten lassen. Weil sie den lauten Zeiten leise Töne entgegense­tzen.“

Die „Maria-Ladenburge­r-Stiftung“ist inzwischen auf rund eine halbe Million Euro gewachsen. 100000 Euro steuerte das Ehepaar Ladenburge­r bei. Von mehr als 900 Unterstütz­ern kamen weitere 400000 Euro. Gefördert werden Studenten, die wegen einer Krankheit, einer Behinderun­g oder einem Schicksals­schlag in einer schwierige­n Lebenssitu­ation stecken.

Das Geld steht ausdrückli­ch auch für Flüchtling­e bereit.

 ??  ?? Ein Papierherz mit der Aufschrift „Liebe Maria, wir werden dich niemals vergessen“hängt in der Nähe des Flusses Dreisam in Freiburg an einem Baum. Unweit von hier wurde die Medizinstu­dentin Maria Ladenburge­r im Oktober 2016 ermordet.
Ein Papierherz mit der Aufschrift „Liebe Maria, wir werden dich niemals vergessen“hängt in der Nähe des Flusses Dreisam in Freiburg an einem Baum. Unweit von hier wurde die Medizinstu­dentin Maria Ladenburge­r im Oktober 2016 ermordet.
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Foto: Peter Rakoczy Das sind Marias Eltern: Friederike und Clemens Ladenburge­r.

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