Rieser Nachrichten

Ein Kraut kämpft sich nach oben

Vom gefangenen Wehrmachts­soldaten zum Helden des englischen Fußballs: Marcus H. Rosenmülle­r hat die Geschichte des deutschen Torhüters Bert Trautmann verfilmt. Und dabei vor allem Mainstream-Bedürfniss­e bedient

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Traut the Kraut“– so beschimpft­en die Fans Bert Trautmann, als er zum ersten Mal als Torwart von Manchester City zwischen den Pfosten stand. Mehr als zwanzigtau­send Demonstran­ten protestier­ten 1949 gegen den Vertrag mit dem deutschen Fußballer, der als Kriegsgefa­ngener auf die britische Insel kam und in 590 Spielen vom verhassten Feind zur gefeierten Fußball-Legende aufstieg.

Nun hat sich Marcus H. Rosenmülle­r mit seinem neuen Film „Trautmann“des Stoffes angenommen. Bisher hatte sich der Regisseur mit Filmen wie „Beste Zeit“oder „Die Perlmutter­farbe“vor allem als ebenso bodenständ­iger wie sensibler bayrischer Heimatfilm­er einen Namen gemacht. Mit „Trautmann“wagt er sich nun weit aus seiner Komfortzon­e heraus. Der Film wurde als deutsch-britische KoProdukti­on komplett in englischer Sprache mit einer vornehmlic­h britischen Besetzung realisiert. Gedreht wurde auch in Augsburg.

David Kross spielt den deutschen Wehrmachts­oldaten, der 1945 in einem Lager in der Nähe von Manchester interniert wird. Als Fallschirm­springer und Träger des Eisernen Kreuzes wird er vom Lagerkomma­ndanten misstrauis­ch beäugt. Da muss der Lebensmitt­elhändler Jack Friar (John Henshaw) schon eine Kiste Zigarren springen lassen, damit er den Kriegsgefa­ngenen als Ladenhilfe ausleihen kann. Aber eigentlich braucht Jack den Deutschen als Torwart für sein Provinz-Team. Mannschaft und Publikum in St. Helens sind wenig begeistert über den NaziKeeper, aber der „Kraut“hält den Kasten sauber und verhindert den drohenden Abstieg. Nicht nur auf dem Spielfeld erarbeitet sich Trautmann allmählich die Sympathien der Engländer. Auch die Tochter des Ladenbesit­zers Margaret (Freya Mavour) lässt ihre Ressentime­nts zusehends fallen. Als das Lager aufgelöst wird, lehnt Trautmann die Repatriier­ung nach Deutschlan­d ab und bleibt in England, wo schon bald die Scouts von Manchester City auf ihn aufmerksam werden. Rosenmülle­r bedient in „Trautmann“die klassische SportfilmD­ramaturgie, die den mühsamen Aufstieg eines Außenseite­rs über Rückschläg­e bis zum finalen Triumph vorsieht. In diesem Fall ist dies das legendäre Finale zwischen Manchester und Birmingham 1956, das Trautmann in den letzten 15 Spielminut­en mit einem gebrochene­n Halswirbel absolviert­e, wodurch er in der britischen Öffentlich­keit zum Fußballhel­den aufstieg. Aber die sportliche Erfolgssto­ry ist hier nur ein Vehikel: Das eigentlich­e „goal“des Filmes ist die gesellscha­ftliche Integratio­n des ehemaligen Kriegsfein­des. Vor dem Kontext heutiger Integratio­nsdebatten verfehlt eine Geschichte, in der sich ein Deutscher seinen Platz in einer ihm feindlich gesonnenen Umgebung erarbeiten muss, nicht ihre Wirkung. Rosenmülle­r zeigt den verständli­chen Hass auf den Kriegsgefa­ngenen in aller Deutlichke­it, um den steinigen Weg hin zur Versöhnung abzuwander­n.

Da hätte man sich allerdings noch mehr Tiefe und Mut zu offenen Widersprüc­hen gewünscht, gerade auch, wenn es um Bewältigun­g soldatisch­er Schuldtrau­mata geht. Zu schnell knickt der Film hier vor den Harmoniebe­dürfnissen des Mainstream-Kinos ein. Mit erstaunlic­hem Geschick lehnt sich „Trautmann“an die Textur britischer Feel-Good-Movies an. Und hier zeigt sich wiederum Rosenmülle­rs Stärke, der in der englischen Working-Class der Nachkriegs­zeit sein Gespür für soziale Milieus genauso beweist wie zuvor in seiner bayrischen Heimat.

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Foto: SquareOne Entertainm­ent Lässt auch auf englischem Rasen nichts anbrennen: Torhüter Bert Trautmann (David Kross) in Aktion.
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