Kunterbunt modern
Eine Elfjährige ist die Wiedergängerin von Pippi Langstrumpf
Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ist auch 74 Jahre nach der Buch-Erstveröffentlichung immer noch eine emanzipatorische Identifikationsfigur, deren anarchischer Geist sich stets eine gewisse Unberechenbarkeit bewahrt. Unübersehbar ist die Titelheldin von Katja Benraths Langfilmdebüt „Rocca verändert die Welt“als moderne Wiedergängerin der klassischen Kinderbuchfigur angelegt.
Die elfjährige Rocca (herzerfrischend: Luna Marie Maxeiner) ist gerade erst in Hamburg angekommen, wo sie bei der Großmutter Dodo (Barbara Sukowa) leben soll. Die Oma landet bald mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus, und so ist Rocca wie einst Pippi auf sich allein gestellt. Statt des Affen Herr Nilsson hat sie ein Eichhörnchen namens Klitschko im Gepäck, und ähnlich wie Pippi ist auch Rocca nicht so ganz von dieser Welt. Sie ist an der Seite ihres Vaters im europäischen Raumfahrtzentrum aufgewachsen und nie auf eine normale Schule gegangen. Sie kann zwar einen Airbus landen, weiß aber nicht, wie man einen Snapchat-Account anlegt. Sie duzt den Direktor und will sich mit der Mobbing-Normalität auf dem Schulhof nicht abfinden.
Mit Rocca entwerfen Benrath und ihre Drehbuchautorin Hilly Martinek eine Gerechtigkeitskämpferin, die das Herz am rechten Fleck trägt und ungebrochen ihren empathischen Impulsen folgt. Das ist über weite Strecken recht erfrischend, weil Rocca den sozialen Status Quo mit kindlicher Unverfrorenheit unterwandert. Aber trotz flotter Inszenierung und beherzt aufspielendem Ensemble schimmert die didaktischen Konzeption immer wieder allzu deutlich durch. Die nicht zielgerichtete Freude am eigenen minderjährigen Dasein, die Astrid Lindgren ihrer Heldin zugestand, bleibt der modernen Wiedergängerin verwehrt.
» Rocca verändert die Welt (1 Std. 37 Min.), Familienfilm, Deutschland 2019 Wertung ★★★✩✩