Schuld im Gesicht
So wie in diesem Cop-Drama hat man Nicole Kidman noch nicht gesehen
Soll man staunen über dieses Gesicht? Soll man sich fürchten vor ihm? Oder doch eher fürchten um dieses Gesicht? Beinahe scheint es sich aufzulösen hinter einer Windschutzscheibe in der gleißenden Mittagssonne von Los Angeles, fahl und fleckig und extrem ungesund, aber mit stechend blauen Augen ins Nirgendwo starrend. Dieses Bild rahmt den Film, und erst am Ende wird man wissen, was darin gerade passiert. Aber zuerst einmal schreit dieses Gesicht leinwandfüllend: Seht her, das ist Nicole Kidman!
Die Schauspielerin vollführt in „Destroyer“, inszeniert von der Regisseurin Karyn Kusama, ihre bislang wohl spektakulärste Transformation: Abgemagert, müde, verhärmt torkelt sie als Polizistin Erin wie ein halb tot gefahrener Waschbär durch diesen Neo-Noir-Krimi. Und spielt dabei buchstäblich gegen sich selbst an, denn Rückblenden erzählen, wie sie vor 17 Jahren als junge Ermittlerin gemeinsam mit ihrem adretten Kollegen Chris (Sebastian Stan) in eine Bande um den brutalen Silas (Toby Kebbell) eingeschleust wird.
Nach dem altehrwürdigen Muster des analytischen Dramas kristallisiert sich schrittweise heraus, welch große, ihre Gegenwart noch immer überschattende Schuld sie damals auf sich lud. Wenn Erin die Menschen ihrer Vergangenheit nun wieder aufsucht, wird „Destroyer“auch zu einem großen Maskenbildnerfest, zu einem kuriosen Schauspiel des Verfalls. Das Unbehagliche ist hier ein wohlkalkulierter, fast surrealer Effekt, egal ob Kusama kaputte Leiber oder Banküberfälle, karge Stadtansichten oder Gartengerät-Geräuschkulissen in Szene setzt. Oder einen finalen Twist, der die Zeitebenen neu verschachtelt – während hinter Kidmans Maske dann doch etwas Verstörenderes sichtbar geworden ist als nur Nicole Kidman.
» Destroyer
USA 2019
Wertung ★★★★✩ (2 Std. 2 Min.), Thriller,