In Manhattan eröffnet eine „Fantasiestadt“
Ein Milliardär hat ein Viertel der Superlative geschaffen. Aber es gibt auch Kritik
New York Wie eine Art Schnabel ragt die spitz zulaufende, gläserne Plattform weithin sichtbar aus dem 100. Stockwerk des Wolkenkratzers „30 Hudson Yards“. Ab 2020 sollen Besucher von dort aus 335 Metern Höhe auf Manhattan hinunterschauen – oder sogar noch ein paar Meter weiter oben mit Sicherheitsgurten auf der Spitze des Wolkenkratzers herumklettern können. „The Edge“werde nach der Eröffnung die höchstgelegene öffentlich zugängliche Outdoor-Aussichtsterrasse der westlichen Welt sein, sagen die Bauherren. Schon jetzt gehört die spitze Plattform zu den spektakulärsten architektonischen Details der Hudson Yards – einem komplett neuen Stadtviertel New Yorks, das an diesem Freitag offiziell eröffnet.
Das Viertel liegt am Hudson River an der Westseite Manhattans, etwa auf Höhe des Empire State Buildings. Die Dimensionen sind gewaltig. Laut Baufirma handelt es sich um das größte nicht-öffentliche Bauprojekt der USA aller Zeiten: Rund ein Dutzend neuer LuxusWolkenkratzer von Star-Architekten – teils schon fertig, teils im Bau, teils geplant – mit teuren Wohnungen und Büros, wo Unternehmen wie die Investmentfirma BlackRock oder der deutsche Software-Gigant SAP bereits Mietverträge unterzeichnet haben.
Dazu kommen ein Luxushotel, eine Schule, Restaurants und ein riesiges Einkaufszentrum. Die Bewohner müssen sich für Bedürfnisse des alltäglichen Lebens kaum wegbewegen. Das komplett neue Kunst- und Kulturzentrum „The Shed“eröffnet im April. Mitten im Gebäudekomplex liegen ein Park und das begehbare Kunstwerk „The Vessel“, das aus 154 verschiedenen Treppen mit fast 2500 Stufen besteht, auf denen Besucher sitzen oder herumklettern können. „Dies wird einer der großartigsten öffentlichen Plätze in New York werden“, sagt Bürgermeister Bill de Blasio.
Platz ist auf der Insel Manhattan eigentlich ein rares und teures Gut. Die Hudson Yards aber wurden möglich, weil die vom Bahnhof Penn Station abgehenden Gleise überdacht wurden. Die Idee dazu kam nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf, als Bürgermeister Mike Bloomberg Manhattan wiederbeleben wollte.
Für eine Milliarde Dollar bekam die Immobilienfirma Related Companies damals den Zuschlag – und rund 20 Jahre später hat deren Chef Stephen Ross, nunmehr 78, seine Vision verwirklicht. New York hat viel dafür getan, dass die Hudson Yards Wirklichkeit werden – unter anderem wurde eine komplett neue U-Bahn-Station gebaut. Viele New Yorker aber sind nicht begeistert – zu steril, zu wenig authentisch und vor allem zu teuer sei das neue Stadtviertel, und das in einer Zeit, wo New York dringend bezahlbaren Wohnraum brauche, kritisieren viele. Hudson Yards sei „die Fantasiestadt eines Milliardärs“, ätzte das New York Magazine. (dpa)