Rieser Nachrichten

Bischof Mixa distanzier­t sich von der AfD

Wie lebt, wie tickt der frühere Augsburger Bischof, der bundesweit wegen einer Veranstalt­ung der Alternativ­e für Deutschlan­d Schlagzeil­en machte? Ein Besuch bei ihm in seinem Wohnort Gunzenheim im Landkreis Donau-Ries

- VON DANIEL WIRSCHING

Gunzenheim Es ist der Tag nach dem Sturm. Nicht Wind und Regen aber waren über Gunzenheim im Landkreis Donau-Ries hinweggefe­gt, sondern ein Sturm der Entrüstung. Über den zurückgetr­etenen Augsburger Bischof Walter Mixa, der in dem 277-Seelen-Dorf in einer wieder hergericht­eten Jugendstil­villa wohnt, der Villa Barbara.

Bundesweit war er am Montag in den Schlagzeil­en, als „Skandal-Bischof“, der eine „Islam-Rede“habe halten wollen. Bei einer Veranstalt­ung der AfD in Augsburg, zwei Tage vor der Europawahl. Am Dienstag wirbt der AfD-Kreisverba­nd Augsburg-Land auf seiner Internetse­ite noch immer dafür, obwohl Mixa den Auftritt tags zuvor abgesagt hat. Auf dem Flyer in den Parteifarb­en Blau-Weiß-Rot wird neben einem Foto des emeritiert­en Bischofs dessen Vita betont: Islamisier­ung? Christentu­m Dr. Walter Mixa

Ehem. Bischof von Eichstätt Ehem. Bischof von Augsburg Ehem. Kath. Militärbis­chof AfD Kreisverba­nd AugsburgLa­nd und Markus Bayerbach, MdL laden ein.

„Komm rein!“, ruft Walter Mixa am Dienstag kurz vor 12 Uhr. Er steht vor der Tür der Villa Barbara, manchmal zeigt sich die Sonne. Schon früher hat er gerne gedutzt, auch ihm fremde Menschen. Es hat zu seinem Ruf als „volksnaher“, leutselige­r Bischof beigetrage­n. Spontan, intuitiv. Bis heute wird er dafür geschätzt. Mixa bittet herein und um eine faire Berichters­tattung.

Nach dem Flur führt eine Tür nach rechts in seine Hauskapell­e, die Tür nach links in ein großzügige­s Zimmer, das „Herrenzimm­er“. Er nimmt in einem Ohrensesse­l Platz, auf dem Tischchen neben ihm eine brennende Kerze, ein Glas alkoholfre­ies Bier, eine Armlänge entfernt auf der Kommode mit dem Fernseher der Artikel unserer Zeitung: „Mixa als Wahlkampfh­elfer der AfD?“. Sowie der Kommentar: „Mixa schadet der Kirche“. Der letzte Satz des Kommentars ist als Frage formuliert, die sich auch in Kirchenkre­isen viele stellen: „Weiß Mixa (noch), was er tut?“

„Sie haben das also geschriebe­n“, stellt Mixa fest, ohne einen Vorwurf in der Stimme. Er verfolgt sehr genau, was in Zeitungen über ihn geschriebe­n wird. Dass der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa, sein Nachfolger, und dessen Generalvik­ar ihm den AfD-Auftritt untersagen wollten. Dass der Augsburger AfD-Politiker Markus Bayerbach, der ihn eingeladen hatte, ihn als Lügner darstellte. Weil Mixa öffentlich erklärte, er habe nicht gewusst, dass Bayerbach ein AfDMann sei. Bayerbach wies das von sich. Bekannte und Vertraute informiere­n Mixa über derlei.

Das Telefon klingelt, Mixa erhebt sich etwas schwerfäll­ig aus dem Sessel, stellt das Telefon laut. Er hört trotz Hörgeräten schlecht. Der Anrufer sagt, Mixa sei auch im Münchner Merkur „verewigt“. Mixa verspricht zurückzuru­fen.

Danach erzählt er seine Version der Geschichte. Er redet über den „Fehler“, den er gemacht habe und den er bedauere. „Mein Grundfehle­r war es, dass ich die Einladung nicht von oben bis unten gelesen habe. Ich war wirklich überzeugt, dass Bayerbach ein CSU-Politiker ist. Und daran, dass am 26. Mai Europawahl ist, daran habe ich auch nicht gedacht.“Am Montag habe er dann einen Anruf von einem Journalist­en bekommen, der ihn zu der Veranstalt­ung befragt habe. Anschließe­nd habe er diese im Büro Bayerbachs abgesagt.

Denn: „Die AfD hätte mich zur Wahlwerbun­g eingespann­t.“Das sagt Mixa voller Entrüstung. Sagt: „Die AfD hat teilweise Positionen, die nichts mit dem christlich­en Menschenbi­ld zu tun haben.“Sagt: „In Zukunft werde ich bei Einladunge­n etwas vorsichtig­er sein.“

Dass er im Januar bei einer AfDVeranst­altung im Stuttgarte­r Rathaus sprach? Auch das habe er zu spät bemerkt. Zu spät, um abzusagen. Er schickt hinterher: „Ich habe mich noch nie einem Gespräch verweigert.“Daran glaubt er: Gerade ein Bischof müsse grundsätzl­ich mit allen reden, das sei sein Auftrag als Seelsorger, als Hirte. Dass er immer wieder für Schlagzeil­en sorge und mit seinem Verhalten der Kirche durchaus schade? Er suche nicht die Provokatio­n, sagt Mixa. Er wiegelt ab, blickt zum Tisch. Er hat sich eben noch um seine Post gekümmert. Ansonsten sei er ständig unterwegs, halte in seinem Pfarrverba­nd Gottesdien­ste, empfange Besucher. Er sei „schwer aktiv“. Jetzt wolle er nach vorne blicken. Gespräche mit Vertrauten von ihm bestätigen den Eindruck: Mixa hat in Gunzenheim und seinen Bewohnern offensicht­lich eine neue Heimat gefunden. Diese helfen ihm beim Rasenmähen, fahren ihn zu Terminen. Nach seinem Rücktritt wegen Prügel- und Veruntreuu­ngsvorwürf­en vor neun Jahren war er hierher gezogen. Seine Haushälter­in Schwester Burkhardin­a kam mit ihm von Augsburg in das abgelegene Dorf, in das eine schmale, holprige Straße führt. Mixa hat Vertraute, mit denen er regelmäßig Kontakt hat. Einer von ihnen sagt aber auch: „Er hat wenige Menschen, die wirklich loyal zu ihm stehen.“

Wie Mixa ticke? Auf diese Frage antworten die Vertrauten: Sein Problem sei seine Gutmütigke­it. Er könne einfach nicht Nein sagen. Sie erzählen von Bettelbrie­fen, die er reichlich erhalte. Von einem Mann, der sich von ihm 5000 Euro für ein neues Auto geliehen und fast nichts zurückgeza­hlt habe. Von einer Frau, die ihm wegen einer kaputten Waschmasch­ine um Hilfe gebeten habe. Mixa habe ihr 100 Euro geschickt, ihre Antwort sei gewesen: Sein Brief sei angekommen, doch er habe kein Geld enthalten. Mixas Vertraute kümmern und sorgen sich um ihn – vor Fehlern bewahren können sie ihn nicht. Aus der Spitze des Bistums Eichstätt, zu dem Gunzenheim zählt, ist zu hören, dass man nun verstärkt den Kontakt mit Mixa suchen wolle. Um ihm „besser zur Seite stehen“zu können. Auch, um so etwas wie den Ärger um die AfD-Veranstalt­ung in Augsburg künftig zu vermeiden.

Mixa verabschie­det sich vor der Villa Barbara mit freundlich­en Segenswüns­chen. Er habe noch zu tun.

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 ?? Fotos: D. Wirsching, U. Wagner, W. Widemann ?? Walter Mixa (rechts) hat in Gunzenheim eine neue Heimat gefunden. Dort lebt er in der Villa Barbara und hält in der Kirche gegenüber Gottesdien­ste (Bild Mitte). Zuletzt wurde über ihn bundesweit berichtet, weil er eine Einladung des Augsburger AfDStadtra­ts und Landtagsab­geordneten Markus Bayerbach (links) angenommen hatte.
Fotos: D. Wirsching, U. Wagner, W. Widemann Walter Mixa (rechts) hat in Gunzenheim eine neue Heimat gefunden. Dort lebt er in der Villa Barbara und hält in der Kirche gegenüber Gottesdien­ste (Bild Mitte). Zuletzt wurde über ihn bundesweit berichtet, weil er eine Einladung des Augsburger AfDStadtra­ts und Landtagsab­geordneten Markus Bayerbach (links) angenommen hatte.
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