Bischof Mixa distanziert sich von der AfD
Wie lebt, wie tickt der frühere Augsburger Bischof, der bundesweit wegen einer Veranstaltung der Alternative für Deutschland Schlagzeilen machte? Ein Besuch bei ihm in seinem Wohnort Gunzenheim im Landkreis Donau-Ries
Gunzenheim Es ist der Tag nach dem Sturm. Nicht Wind und Regen aber waren über Gunzenheim im Landkreis Donau-Ries hinweggefegt, sondern ein Sturm der Entrüstung. Über den zurückgetretenen Augsburger Bischof Walter Mixa, der in dem 277-Seelen-Dorf in einer wieder hergerichteten Jugendstilvilla wohnt, der Villa Barbara.
Bundesweit war er am Montag in den Schlagzeilen, als „Skandal-Bischof“, der eine „Islam-Rede“habe halten wollen. Bei einer Veranstaltung der AfD in Augsburg, zwei Tage vor der Europawahl. Am Dienstag wirbt der AfD-Kreisverband Augsburg-Land auf seiner Internetseite noch immer dafür, obwohl Mixa den Auftritt tags zuvor abgesagt hat. Auf dem Flyer in den Parteifarben Blau-Weiß-Rot wird neben einem Foto des emeritierten Bischofs dessen Vita betont: Islamisierung? Christentum Dr. Walter Mixa
Ehem. Bischof von Eichstätt Ehem. Bischof von Augsburg Ehem. Kath. Militärbischof AfD Kreisverband AugsburgLand und Markus Bayerbach, MdL laden ein.
„Komm rein!“, ruft Walter Mixa am Dienstag kurz vor 12 Uhr. Er steht vor der Tür der Villa Barbara, manchmal zeigt sich die Sonne. Schon früher hat er gerne gedutzt, auch ihm fremde Menschen. Es hat zu seinem Ruf als „volksnaher“, leutseliger Bischof beigetragen. Spontan, intuitiv. Bis heute wird er dafür geschätzt. Mixa bittet herein und um eine faire Berichterstattung.
Nach dem Flur führt eine Tür nach rechts in seine Hauskapelle, die Tür nach links in ein großzügiges Zimmer, das „Herrenzimmer“. Er nimmt in einem Ohrensessel Platz, auf dem Tischchen neben ihm eine brennende Kerze, ein Glas alkoholfreies Bier, eine Armlänge entfernt auf der Kommode mit dem Fernseher der Artikel unserer Zeitung: „Mixa als Wahlkampfhelfer der AfD?“. Sowie der Kommentar: „Mixa schadet der Kirche“. Der letzte Satz des Kommentars ist als Frage formuliert, die sich auch in Kirchenkreisen viele stellen: „Weiß Mixa (noch), was er tut?“
„Sie haben das also geschrieben“, stellt Mixa fest, ohne einen Vorwurf in der Stimme. Er verfolgt sehr genau, was in Zeitungen über ihn geschrieben wird. Dass der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa, sein Nachfolger, und dessen Generalvikar ihm den AfD-Auftritt untersagen wollten. Dass der Augsburger AfD-Politiker Markus Bayerbach, der ihn eingeladen hatte, ihn als Lügner darstellte. Weil Mixa öffentlich erklärte, er habe nicht gewusst, dass Bayerbach ein AfDMann sei. Bayerbach wies das von sich. Bekannte und Vertraute informieren Mixa über derlei.
Das Telefon klingelt, Mixa erhebt sich etwas schwerfällig aus dem Sessel, stellt das Telefon laut. Er hört trotz Hörgeräten schlecht. Der Anrufer sagt, Mixa sei auch im Münchner Merkur „verewigt“. Mixa verspricht zurückzurufen.
Danach erzählt er seine Version der Geschichte. Er redet über den „Fehler“, den er gemacht habe und den er bedauere. „Mein Grundfehler war es, dass ich die Einladung nicht von oben bis unten gelesen habe. Ich war wirklich überzeugt, dass Bayerbach ein CSU-Politiker ist. Und daran, dass am 26. Mai Europawahl ist, daran habe ich auch nicht gedacht.“Am Montag habe er dann einen Anruf von einem Journalisten bekommen, der ihn zu der Veranstaltung befragt habe. Anschließend habe er diese im Büro Bayerbachs abgesagt.
Denn: „Die AfD hätte mich zur Wahlwerbung eingespannt.“Das sagt Mixa voller Entrüstung. Sagt: „Die AfD hat teilweise Positionen, die nichts mit dem christlichen Menschenbild zu tun haben.“Sagt: „In Zukunft werde ich bei Einladungen etwas vorsichtiger sein.“
Dass er im Januar bei einer AfDVeranstaltung im Stuttgarter Rathaus sprach? Auch das habe er zu spät bemerkt. Zu spät, um abzusagen. Er schickt hinterher: „Ich habe mich noch nie einem Gespräch verweigert.“Daran glaubt er: Gerade ein Bischof müsse grundsätzlich mit allen reden, das sei sein Auftrag als Seelsorger, als Hirte. Dass er immer wieder für Schlagzeilen sorge und mit seinem Verhalten der Kirche durchaus schade? Er suche nicht die Provokation, sagt Mixa. Er wiegelt ab, blickt zum Tisch. Er hat sich eben noch um seine Post gekümmert. Ansonsten sei er ständig unterwegs, halte in seinem Pfarrverband Gottesdienste, empfange Besucher. Er sei „schwer aktiv“. Jetzt wolle er nach vorne blicken. Gespräche mit Vertrauten von ihm bestätigen den Eindruck: Mixa hat in Gunzenheim und seinen Bewohnern offensichtlich eine neue Heimat gefunden. Diese helfen ihm beim Rasenmähen, fahren ihn zu Terminen. Nach seinem Rücktritt wegen Prügel- und Veruntreuungsvorwürfen vor neun Jahren war er hierher gezogen. Seine Haushälterin Schwester Burkhardina kam mit ihm von Augsburg in das abgelegene Dorf, in das eine schmale, holprige Straße führt. Mixa hat Vertraute, mit denen er regelmäßig Kontakt hat. Einer von ihnen sagt aber auch: „Er hat wenige Menschen, die wirklich loyal zu ihm stehen.“
Wie Mixa ticke? Auf diese Frage antworten die Vertrauten: Sein Problem sei seine Gutmütigkeit. Er könne einfach nicht Nein sagen. Sie erzählen von Bettelbriefen, die er reichlich erhalte. Von einem Mann, der sich von ihm 5000 Euro für ein neues Auto geliehen und fast nichts zurückgezahlt habe. Von einer Frau, die ihm wegen einer kaputten Waschmaschine um Hilfe gebeten habe. Mixa habe ihr 100 Euro geschickt, ihre Antwort sei gewesen: Sein Brief sei angekommen, doch er habe kein Geld enthalten. Mixas Vertraute kümmern und sorgen sich um ihn – vor Fehlern bewahren können sie ihn nicht. Aus der Spitze des Bistums Eichstätt, zu dem Gunzenheim zählt, ist zu hören, dass man nun verstärkt den Kontakt mit Mixa suchen wolle. Um ihm „besser zur Seite stehen“zu können. Auch, um so etwas wie den Ärger um die AfD-Veranstaltung in Augsburg künftig zu vermeiden.
Mixa verabschiedet sich vor der Villa Barbara mit freundlichen Segenswünschen. Er habe noch zu tun.