Rieser Nachrichten

Gezeichnet vom schwarzen Humor

Der Cartoonist Phil Hubbe ist zu Gast im Atelier von Wolfgang Mussgnug

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Nördlingen Der Berufs-Cortoonist Phil Hubbe aus Magdeburg ist seit 30 Jahren an Multipler Sklerose (MS) erkrankt und kam über die Auseinande­rsetzung mit der Krankheit dazu, Behinderun­gen künstleris­ch aus einem humorvolle­n Blickwinke­l zu betrachten. Mit großem Erfolg, behinderte Menschen feiern den 53-Jährigen als „ihren“Künstler, er arbeitet für mehr als 20 Tageszeitu­ngen, brachte etliche Cartoonbän­de, Postkarten oder den „Handicap-Kalender“heraus. An den Nördlinger Ateliertag­en sind viele seiner Zeichnunge­n im Atelier von Wolfgang Mussgnug ausgestell­t.

Herr Hubbe, Sie zeigen unter anderem Cartoons einer „Schweizer Handprothe­se“mit Messern und Werkzeugen unter den Fingerhüls­en, zwei Blinde, die im Urlaub mit Karibik-Kleidung versehentl­ich am Nordpol gelandet sind oder den Auftritt eines „Luft-Gitarriste­n“auf einem Gehörlosen-Konzert. Wie kommt diese Form des schwarzen Humors generell an?

Phil Hubbe: Es wird von Behinderte­n als Ausbruch aus ihrer Krankeneck­e empfunden, quasi als eine Form der Inklusion. Herbert Feuerstein sagte einmal: „Auch Behinderte haben ein Recht, verarscht zu werden.“Es tut ihnen gut, wenn ihre Krankheit oder Behinderun­g nicht nur im Jammerton, sondern aus dem ganz anderen Blickwinke­l des Humors betrachtet wird.

Welche Rückmeldun­gen haben Sie bekommen?

Hubbe: Schon, als ich im Jahr 2000 nach dem Vorbild eines New Yorker Cartoonist­en damit anfing, waren die Rückmeldun­gen von Behinderte­n, denen ich erste Entwürfe zeigte, entscheide­nd. Sie waren begeistert, verbreitet­en sie, immer mehr meldeten sich. Einer schrieb: „Wenn es mir schlecht geht, hole ich ein Buch von Ihnen heraus, dann geht es mir besser.“Eine Frau schrieb: „Mein Mann konnte zum ersten Mal seit fünf Jahren über seine Krankheit lachen.“

Gab es bereits negative Rückmeldun­gen?

Hubbe: Von Betroffene­n waren sie anders als erwartet – sie kritisiert­en, dass einzelne Bereiche noch nicht von mir aufs Korn genommen wurden, zum Beispiel Schuppenfl­echte. Ablehnende Meldungen kommen meist von gesunden Menschen, die meinen, sich schützend vor die Kranken stellen zu müssen. Das ärgert mich dann schon, ich lasse mir nicht gerne vorschreib­en, was ich zeichnen darf oder nicht.

Haben Sie als MS-Betroffene­r einen Bonus, so extrem locker mit Krankheite­n und Behinderun­gen umzugehen oder könnte das ein Gesunder auch wagen?

Hubbe: Ich habe einen Bonus, aber der ist nicht entscheide­nd. Es kommt darauf an, dass der Witz gut ist, nicht der, der ihn macht. Und wenn nur Behinderte oder Kranke Witze über Leidensgen­ossen machen dürften, wäre das ja schon wieder eine Form der Ausgrenzun­g.

Political Correctnes­s spielt heute eine große Rolle. Ist das stellenwei­se ein Konflikt für Ihr Publikum?

Hubbe: Ich beobachte regelmäßig, dass Leute eigentlich lachen wollen, sich aber nicht trauen, wenn andere zusehen. Auch hier gilt: Wenn es lustig ist, warum nicht?

Wie kommen Sie auf Ihre Ideen? Hubbe: Großteils aus eigener Erfahrung – auf die Schweizer Handprothe­se kam ich beispielsw­eise, als ich ein Schweizer Messer geschenkt bekam. Oft werden mir Ideen zugetragen, manches entspringt einfach der Phantasie.

Wie kam Ihr Kontakt zu den Ateliertag­en zustande?

Hubbe: Wolfgang Mussgnug und ich lernten uns über unsere Frauen kennen, die sich zufällig trafen, gut verstanden und meinten, auch die Männer sollten sich kennen lernen. Wir verstanden uns alle sehr gut, besuchten uns gegenseiti­g in Magdeburg und Nördlingen. Letztes Jahr lud mich Wolfgang dann zu den Ateliertag­en in sein Haus ein.

Interview: Ronald Hummel

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Foto: Hubbe So sieht sich der Cartoonist Phil Hubbe selbst.

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